Kommentare Kommentar: Die ITB-Woche ohne ITB – eine kommunikative Bestandsaufnahme

Als Kommunikations- und Krisenexperte der Münchner Agentur Wilde & Partner Communications hat sich Markus Schlichenmaier (Foto) Gedanken gemacht über die Folgen des Corona-Virus‘ für die Reisebranche. Nach der aus seiner Sicht „konsequenten und vorsorglichen Entscheidung“ fordert Schlichenmaier jetzt dringend die für ihn notwendige Rückkehr zu einer sachlichen Berichterstattung. Außerdem sagt er, warum die Branche wieder mutiger Lust auf Urlaub machen sollte.

Von Markus Schlichenmaier, München

Heute (6. März 2020) geht sie zu Ende, die ITB-Woche ohne ITB. Die weltweit wichtigste Reisemesse wurde erstmals in ihrer langen Geschichte abgesagt, nach einem schwierigen und für viele zu langen Abwägungsprozess. Am Ende war es eine konsequente und vorsorgliche Entscheidung. Aber auch eine mit Signalwirkung für die weltweite Tourismusindustrie und die Freiheit des Reisens. Corona trifft die gesamte Reisebranche, die wirtschaftlichen Belastungen sind bei vielen Playern bereits empfindlich spürbar. 

Die Branche befindet sich im Krisenmodus und macht kommunikativ sehr viel richtig. Sie informiert ihre Kunden kontinuierlich und über sämtliche Kommunikationskanäle. Sie klärt verunsicherte Gäste auf, um Vertrauen zu schaffen. Sie bietet kulante Umbuchungsmöglichkeiten. Die interne Kommunikation in den Unternehmen erfolgt analog und transparent. Alles nach Plan beziehungsweise nach den eigenen Kommunikationsleitfäden.

Doch die aktuelle Situation ist keine individuelle Unternehmenskrise, mit der man sich analog seines Krisenhandbuchs mit Checklisten kommunikativ auseinandersetzt. Die gesamte Branche ist betroffen. Man schaut auf den Mitbewerber, wie und was wird kommuniziert. Formell gesehen also alles richtig gemacht? An sich ja.

Doch gerade jetzt und angesichts der bevorstehenden Hauptreisezeiten ist die Branche gefordert, kollektiv Lust auf Urlaub zu machen. Die Deutschen sind bekanntlich Reiseweltmeister. Einer aktuellen Umfrage nach wollen sogar mehr als 70 Prozent der Befragten, die bereits eine Flugreise gebucht haben, trotz Corona-Virus wie geplant verreisen. Nutzen wir das also! Freilich gelten fürs Reisen aktuell Einschränkungen, das heißt aber nicht, dass gleich jeder Strandurlaub direkt auf die Intensivstation führt.

Gehen wir als Branche bitte auch mit entsprechendem Vorbild voran. Wir können unsere Kunden schließlich nur dann von den Vorzügen des Reisens überzeugen, wenn wir geschlossen und voll hinter unserem eigenen Produkt stehen. Beim Thema Corona ist es ähnlich wie bei der Nachhaltigkeitsdebatte. Die Touristik tendiert wie kaum eine andere Branche dazu, sich weit über das angemessene Maß an Selbstreflexion hinaus selbst in Frage zu stellen. Eine Message wirkt bekanntlich nur, wenn der Absender dahinter steht. Im Verhältnis zwischen unserer Branche und den Kunden ist es nicht anders. Daher mein Appell: Kommunizieren wir klar, transparent und ehrlich. Aber vergessen wir auch in diesen schwierigen Zeiten nicht die Leidenschaft für die schönste Branche der Welt. Unsere Lust aufs Reisen wird abfärben.

Über den Autor: Markus Schlichenmaier (44) ist als Kommunikations- und Krisenexperte seit 2004 für die Münchner Agentur Wilde & Partner Communications GmbH tätig. Sie gehört zu den führenden Kommunikationsagenturen in Deutschland und ist Spezialist im Bereich der Tourismuskommunikation und betreut aktuell über 100 Kunden aus der Reisebranche. Schlichenmaier ist Executive Director der Agentur und leitet den Bereich Risiko- und Krisenkommunikation.

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