Kommentare Gastkommentar zur Arbeitsteilung von Mann und Frau: Wo bleibt die „Papa-Republik“?

Der Väterreport 2016 lag ihr schon einige Zeit schwer im Magen. Der offizielle Report des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt unter anderem Auskunft über Einstellungen und Erwartungen heutiger Väter sowie darüber, wie sich die Nutzung von Elterngeldmonaten auswirkt. Als Geschäftsführerin der Tübinger Agentur Storymaker, die 80 Prozent weibliche Beschäftigte hat, verspürt Heidrun Haug zunehmend Wut über Männer und deren Arbeitgeber, die machomäßig auf „My Job first“ bestehen. Sie erwartet von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, vor allem aber von jedem einzelnen modernen Mann Signale in Richtung „mehr Papa-Republik“. Lesen Sie ihren Gastkommentar, der auch im Blog von Storymaker erschienen ist.

Heidrun Haug

Von Heidrun Haug, Tübingen

Wir sind eine 50-köpfige Agentur mit 80 Prozent weiblichen Beschäftigten. Das liegt nicht an einem feministischen Konzept; die Kommunikationsbranche ist schlicht sehr weiblich geprägt. Als Verstärker kommt sicher hinzu, dass Storymaker von einer Frau gegründet wurde und auch der Managementkreis das Mann-Frau-Verhältnis in der Agentur widerspiegelt. Seit jeher gehört die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in unseren Wertekanon. Regelmäßige Schwangerschaften, Elternzeit, Wiedereinstieg in Teilzeit, Homeoffice, wenn das Kind krank ist – kein Thema. Als Gründerin der Agentur mit bewegter Vergangenheit für Emanzipationsforderungen war es mir stets ein Anliegen, dass die Chancengleichheit gelebt wird. Festgeschriebene Regeln haben wir keine dafür, weil es für uns selbstverständlich ist, dass Kinder zum Leben dazu gehören. Auch die Männer in der Agentur, oft selbst Väter, sehen das so.

In unserer Gesellschaft ist diese Gleichheit allerdings noch lange nicht angekommen – und das ist auch ein Problem für Arbeitgeber wie uns. Der Vaterreport 2016 der Bundesregierung stellt fest, dass nur 14 Prozent der Paare sich Haushalt, Erziehung und Beruf fair teilen. Vielleicht stimmt es ja, dass viele Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Man hört, dass mehr Väter auch in Erziehungszeit gehen. Schön. Doch das ist eine kurze Episode von ein, zwei Monaten. Danach geht es wieder zu 100 Prozent zurück auf die Karriereleiter. Flexibilität und kürzere Arbeitszeiten Fehlanzeige, das ist der „Mama-Job“. Typische Aussagen: „bitte nur vormittags, wenn die Kinder versorgt sind.“ – „Nein, mein Mann kann keine Kinderbetreuung übernehmen.“ – Arbeitszeit erhöhen, weil die Auftragslage es erfordert? – „Mein Ehemann will nicht, dass ich als Mutter mehr als 60 Prozent arbeite!“. Die Zugeständnisse werden von den Müttern erwartet – und damit auf die Arbeitgeber abgewälzt, die familienfreundlich sind. Das ist ungerecht und benachteiligt Unternehmen mit hohem Frauenanteil.

Die Steuergesetzgebung fördert zudem weiterhin diese Ungerechtigkeit, weil Ehepaare mit ungleichem Einkommen Geld sparen können. Das Ehegattensplitting ist antiquiert und steht mehr Chancengleichheit im Beruf im Weg. Sicher trägt auch dazu bei, dass ein (oft männlicher) Ingenieur in der Automobil- oder Maschinenbaubranche signifikant mehr verdient als eine Kommunikationsberaterin oder gar eine Pflegekraft (oftmals weiblich). Erschwerend kommen die restriktiven Konzepte in der Kinderbetreuung hinzu. Deutschland ist noch immer eine „Mama-Republik“ – und steht hier im Vergleich mit europäischen Nachbarn nicht gut da.

Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass bei uns keine geschlechterbezogenen Unterschiede in der Bezahlung zwischen Frauen und Männern oder bei den Aufstiegschancen gemacht werden. Das werden wir auch in Zukunft so halten. Das ist nicht altruistisch, entspricht keinem romantischen Sozialkonzept. Frauen sind stark, kreativ, extrem flexibel und multitaskingfähig – und: weniger rivalitätsbesessen als leider immer noch viele männliche Karrieristen. Das ist gut für die Leistungen und die Atmosphäre. Aber ich verspüre eine wachsende Wut über Männer und deren Arbeitgeber, die machomäßig auf „My Job first“ bestehen. Ich erwarte von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, vor allem aber von jedem einzelnen modernen Mann Signale in Richtung „mehr Papa-Republik“.

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