severin andreas crossrelationsDie Schmutzkampagne von Facebook Inc. gegen den Rivalen Google geht einstweilen nach hinten los. Sie könnte aber auch Ausgangspunkt für ein neues Selbstverständnis sein – auch in der PR.
Ein Kommentar von Andreas Severin (50), Gründer und Mitgesellschafter von crossrelations - corporate communications consultants (GPRA), Düsseldorf
Ein verheerendes Signal an alle, die Facebook noch einmal vertrauen wollten – ein Weckruf für alle, die die Risikopotenziale sozialer Netzwerke bisher nicht wahrhaben wollen. Das Flaggschiff der Social Networks nährt schon länger den Verdacht, Ethik und das Konzept der „Privacy“ sehr subjektiv zu auszulegen. Wir erinnern uns der wiederholten Kritik am Umgang mit Nutzerdaten und den schweren Mängeln im Datenschutz. Facebook war zuletzt sehr bemüht, sich der Welt als gutes und vertrauenswürdiges Unternehmen zu präsentieren. Ein Platz, den dummerweise Google bislang beansprucht, ohne ihn – nach der beendigten Selbtszensur in China - bis heute ernsthaft aufs Spiel gesetzt zu haben.

Wie auch immer: Uns alle sollte der Zwischenfall daran erinnern, dass sich hier die beiden Unternehmen mit dem weltweit größten Vorrat personenbezogener Informationen gegenüberstehen. Ihr Umgang miteinander, ihre Geschäftspraktiken, ihr wiederkehrendes Bemühen informationelles Selbstbestimmungsrecht in Marktanteile zu verwandeln, wirft ein bezeichnendes Licht auf ihren Respekt vor den Grundrechten ihrer Nutzer. Facebook sollte erkennen, dass das Vertrauen der Community nur ein geborgtes ist. Ist dieses erst einmal futsch, wird der Fall sehr tief und sehr endgültig sein.

Tatsächlich aber gibt es auch eine andere Seite der skrupellosen „Datenkrake“ Facebook. Es sei daran erinnert, welche Rolle Facebook bis heute im „arabischen Frühling“ spielt, in Tunis, Kairo und zunehmend auch anderswo. Dort ist das Netzwerk beides, vitale Kommunikationsplattform und gleichzeitig steht es für ein Lebensgefühl, das sich befreit von den Fesseln autoritärer Gesellschaften. Es könnte so einfach für Facebook sein, einerseits die Datenschutzrechte seiner Nutzer zu respektieren und andererseits auf der Sympathie-Welle einer neuen, globalen Community zu segeln, die Zivilgesellschaften zu stärken und ein neues kollektives Handeln zu ermöglichen. Eine starke globale Marktpräsenz müsste nicht hinterrücks ertrickst werden, sondern wäre das natürliche ökonomische Resultat. Wir werden erleben, für welchen Weg sich das Unternehmen entscheidet.

Aber auch die amerikanischen PR-Agenturen stehen vor überfälligen Entscheidungen. Sie müssen sich entscheiden, ob sie den von einer weitgehend überkommenen Mediengesellschaft eingeübten Beeinflussungsopportunitäten folgen oder ihr Geschäftsmodell auf die neuen Realitäten hin orientieren.

Dann wäre es ein guter Neuanfang, sich verstärkt einmal um die eigene Reputation zu sorgen. Was sind Branchenkodizes eigentlich wert, wenn sich selbst die bekannteste und weltgrößte Agentur nur in Sonntagsreden für den Nachwuchs dazu bekennt? Es ist nicht das erste Mal, dass Burson-Marsteller mit  unethischer Praxis auffällt. Vom Dienst an autoritären Regimen  über „Grassroot-PR“ für Monsanto und Desinformationskampagnen zu Umweltthemen zieht sich eine lange Schmutzspur bis zu den jüngsten Enthüllungen. Und wieder einmal folgen ihnen nur die üblichen Reflexe: Die PRSA geht eilends auf Distanz zur kontaminierten Praxis. Die ertappte Großagentur räumt Fehler ein, sieht bei ihren verantwortlichen Beratern gar Bedarf für „extra training“. Und dürfte sich vermutlich damit den nächsten Klienten für weitere „smear campaigns“ empfohlen haben.

Aber es ist nicht nur die beeindruckend stümperhafte Praxis, die Burson-Marsteller endlich zum Umdenken bewegen sollte. Vielmehr sollte man sich auch dort langsam der Einsicht stellen, dass in Zeiten von Leak-Plattformen, Social Networks und Echtzeit-Kommunikation verdeckte PR-Operationen kaum noch (lange) verdeckt zu halten sind. Im Gegenteil: Die potenziellen Reputationsschäden stehen für Unternehmen wie Facebook, deren Marktwert von geschätzten 50 Milliarden Dollar vor allem auf immateriellen Werten beruht, in keinem Verhältnis zum schmutzigen Etappenziel.

Social Networks: Für jeden der mit Informationen handelt und das Vertrauen in die Integrität der Quellen nicht ehrt, könnten sie zum Verhängnis werden.


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