Macht der Bilder Wahlkampf 2025: Friedrich, hol schon mal den Müllwagen!
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- von Jost Listemann, Berlin
Der bevorstehende Bundestagswahlkampf wird ein Kampf um Bilder. Die K-Fragen sind geklärt, die inhaltlichen Schwerpunkte für den wählenden Teil der Bevölkerung relativ klar. Im kalten Grau des deutschen Winters werden Bilder den Unterschied machen, denn es geht um wenige Prozente: Einige Hunderttausend Stimmen entscheiden über eine Zweier- oder Dreier-Koalition in der Regierung, über das politische Überleben der FDP und den Erfolg des BSW auf Bundesebene.
Es ist knapp und es wird spannender als viele meinen. Dabei ist eines klar: Von Donald Trump lernen heißt siegen lernen!
Machen wir uns ehrlich: Donald Trump hat Kamala Harris (auch) mit drei Bildern geschlagen, die er zielsicher in unsere Köpfe gepflanzt hat – beim Attentat, in der McDonalds-Filiale und mit einem Müllwagen. Während Kamala Harris sich fröhlich durch ihren Wahlkampf lächelte und ansonsten eher unkenntlich blieb, verbündete sich Trump im richtigen Moment durch Gesten und Bilder mit seinen Wählern. Instinktsicher reckte er die Faust nach dem lebensgefährlichen Schuss – das Bild umrundete den Erdball in Minuten. Bei McDonalds inszenierte er seine Fastfoodleidenschaft nicht als Kunde, sondern als Macher hinter dem Tresen. Er schaufelte Pommes und nahm Bestellungen auf – niemand glaubte ernsthaft daran, dass sei ein authentischer Moment. Es war Show, ganz klar! Aber es war die richtige Show für seine Wählerinnen und Wähler. Und die dankten es ihm mit unendlich vielen „likes and shares“ und einer gigantischen Social Media Reichweite, die den Kandidaten kaum etwas kostete.
Aber es zählt nicht nur das richtige Bild, das Timing entscheidet. Joe Biden, offensichtlich nicht mehr Herr seiner Sinne, verglich Trumps Wähler wenige Tage vor der Wahl mit Müll. Diese Wahlkampfhilfe erkannte Trump sofort und inszenierte sich innerhalb von Stunden kameragerecht im Führerhaus eines Müllwagens. Die Botschaft war klar: Ich kenne Euch und weiß, was ihr wollt – aber ich sitze vorne. Und: Egal, was die anderen über mich sagen, ich habe immer eine Antwort.
Habeck sitzt an Küchentischen, Markus Söder isst Wurst und Friedrich Merz?
Nach und nach steigt auch in Deutschland das politische Spitzenpersonal in den Ring, spreizt sich vor den Kameras! Mit dem Gesichtsausdruck freundlicher Zugewandtheit inszeniert sich Kanzlerkandidat Habeck in privaten Küchen und gibt den „Robert, der nah bei den Menschen ist!“. Das ist der Anfang einer Positionierung, sagt aber nichts darüber, womit Robert Habeck seine Wähler begeistern will. Zuhören? Hmm, und dann?
Markus Söder ist da schon hemmungsloser: Der „oberste Staatsschauspieler Bayerns“ (SZ) inszeniert sich – instagramable wie immer – in Warschau als außenpolitischer Gernegroß: Erst prüft er volksverbunden die Qualität der Bratwurst auf dem Weihnachtsmarkt um sich dann – Willy Brandt imitierend – vor dem Ghetto-Denkmal symbolisch in den Staub zu werfen. Aber Vorsicht vor historischen Gesten! Während Willy Brandt aufrecht auf die Knie sank und ein Bild für die Geschichte schuf, wirkt Markus Söder eher wie ein Ministrant beim Schuhe zubinden. Ein Bild gespielter Demut, dass diesen Ort polnischen Leids und deutscher Schuld als Bühne für persönliche Eitelkeiten auf Social Media missbraucht.
Ganz bei sich dagegen die FDP. Siegessicher präsentiert sie ihre Botschaft in schreiend großen Lettern: ALLES KANN SICH ÄNDERN!“ Nur der Spitzenkandidat offensichtlich nicht. Grau und smart schaut Christian Lindner von den Wahlplakaten - so sieht es wohl aus, wenn man politisch alles auf eine Karte setzen muss.
Und dann ist da ja noch ein anderer Nebendarsteller, der auch gerne Hauptdarsteller wäre: Boris Pistorius ist da, wo gerade die Kugeln fliegen – im Nahen Osten. Wie beiläufig auf der Rampe eines Bundeswehr-Transporters fotografiert, zeigt sich der Verteidigungsminister dort, wo ein Verteidigungsminister zeigen sollte – bei der Truppe in den Krisenherden dieser Welt. Nicht als eitler Geck mit gegeltem Haar, wie einst Guttenberg, sondern mit knittrigem Hemd und Rucksack über der Schulter inszeniert sich Pistorius in seiner neuen Rolle: Wenn Scholz weg ist, bin ich da.
Und Friedrich Merz? Zugegebenermaßen hat der scheinbar sichere Sieger die schwierigste Aufgabe: Er muss erst noch das richtige Bild am richtigen Ort zur richtigen Zeit anbieten. Darüber hinaus ist Friedrich Merz noch nicht durch instinktsichere visuelle Inszenierungen aufgefallen. Und seit Laschets Lacher im Wahlkampf 2021 weiß man im Adenauerhaus um die Tücken der Auftritte des eigenen Spitzenkandidaten. Aber dieser Wahlkampf wird kein Pardon geben: Entweder Friedrich Merz erschafft seine Bilder, oder die Bilder erschaffen ihn. Das Publikum wartet, dass sich der Vorhang hebt.
Es ist knapp und es wird spannender als viele meinen.
Über den Autor: Jost Listemann berät Führungspersönlichkeiten und Unternehmen in Phasen der Transformation. Darüber hinaus unterrichtet er an der Universität Halle am Institut für Politikwissenschaft und an der Media University Berlin im Fachbereich Journalismus und Unternehmenskommunikation. Seit 2003 ist er geschäftsführender Gesellschaft der TIME:CODE:MEDIA GmbH.
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