Der Sprach-Optimist Robert Habeck sagt’s und Markus Lanz schwimmt

Robert Habeck ist in aller Munde. Der Superminister, Grüne und Vizekanzler weiß verbal zu überzeugen, ja sogar zu glänzen. Selbst in diesen so schwierigen Zeiten mit Krieg, Inflation und Unsicherheit. Unser Sprach-Optimist Murtaza Akbar (Foto) hat sich Habeck bei Markus Lanz mal genauer angesehen oder besser gesagt: angehört. Er entschlüsselt das einfache, aber höchst wirkungsvolle rhetorische Erfolgsrezept des Wirtschafts- und Energieministers. Das macht er in seiner Kolumne natürlich in seiner ganz persönlichen Art mit dem ein oder anderen Seitenblick und auch einem wertvollen Tipp für Sie: Wie Sie schnell merken, ob jemand Bescheid weiß, sich seiner Sache sicher ist oder doch laviert. 

Von Murtaza Akbar, Neu-Isenburg

Robert Habeck will es anders machen, ganz anders. Zeitenwende ist ja aktuell als Wort angesagt. Das gilt jetzt auch für den Kommunikationsstil des neuen Wirtschafts- und Energieministers. Denn er will sich dem bekannten Satz, dass das erste Opfer des Krieges die Wahrheit ist, einfach nicht beugen. „Politik bedeutet, sich der Wirklichkeit zu stellen und die Hände schmutzig zu machen und nicht rumzujammern, dass die Hände schmutzig sind, wenn man mal zugepackt hat.“ Na, haben Sie direkt ein Bild im Kopf? Perfekt, denn Habeck liebt es, bildhaft zu sprechen, ganz unabhängig, ob Krieg oder Windkrafträder. Das hat er übrigens bei seinem viel beachteten Auftritt im ZDF gesagt, natürlich bei Markus Lanz.

ZDF Markus Lanz Screenshot 31 03 22 Habeck

Ein Screenshot aus der Sendung vom 31. März, bei der Wirtschaftsminister Robert Habeck zugeschaltet war und einen stark beachteten Auftritt hatte. (Screenshot: „Lanz“ – ZDF)

Nach Karl Lauterbach, der früher fest zum Ensemble von Lanz gehörte und jetzt als Gesundheitsminister (leider) nicht mehr ganz so überzeugt, gibt es mit Habeck dort einen neuen Hoffnungsträger. Dass der grüne Wirtschafts- und Energieminister (Superminister sagt keiner mehr, oder doch?) rhetorisch so außerordentlich stark ist, ist kein Zufall: Er ist promovierter Sprachwissenschaftler und auf seiner Webseite hat er sich bei seiner persönlichen Vorstellung „Wir können nicht nicht politisch sein“ am legendären Satz von Paul Watzlawick orientiert

Es ist eine ungemütliche Zeit für uns alle, da nimmt sich ein Kolumnist natürlich nicht aus, der doch so amüsant und facettenreich über unsere wunderbare Sprache schreiben möchte. Putin ist die Quelle dieses großen Übels. Aber was ist er eigentlich? Ein Diktator oder Despot? Ein Tyrann oder Kriegsherr? Nein, das klingt zu verherrlichend. Habeck jedenfalls sagt: „Wir müssen alles tun, was in unserer Kraft steht, um den Krieg zu beenden. Wir müssen es so tun, dass wir die Maßnahmen lange durchhalten können, uns nicht stärker schwächen, als die Maßnahmen Putin schwächen.“ Was für ein Satz! Selbst ich als Sprach-Optimist muss ihn drei Mal lesen, um ihn zu verstehen. Sie sehen, sobald es nicht in Bildern ist, sondern mit schwammigen „Maßnahmen“, kann selbst Habeck sprachlich nichts mehr retten.

Aber in der Talkshow sind eher die anderen geschwommen: Volkswirtschaftlerin Karin Pittel oder Lanz selbst. Woran Sie merken, dass jemand unsicher ist? Es wimmelte in den Sätzen von Pittel und Lanz von „sozusagen“, „quasi“, „tatsächlich“ und mehr Überbrückungshilfen. Kein gutes Zeichen. Während der Vizekanzler die Sprache des Volks in einer mir lange nicht mehr begegneten Klarheit spricht, etwa bei der Frage zur Sicherung der Energiezulieferung: „Da bin ich quasi per Amtseid daran gebunden, nicht zu zocken mit dem Wohlstand dieses Landes.“ (Ertappt! Aber zumindest das einzige „quasi“ von ihm, das zeigt, er war nicht sicher bei der Formulierung). Um zu ergänzen: „Wir arbeiten jeden Tag wie Tier, es hinzubekommen.“ Krass. Kennen Sie die Frage, wenn Sie ein Tier wären, was für eines wären Sie? Führt ein bisschen weit weg, aber spannend, nicht wahr? Hier gilt zu unterscheiden, was Sie gerne für ein Tier wären und was Sie für ein Tier für andere sind? Was für ein Satz! Und das von mir. Könnte fast von Richard David Precht sein. Dem inzwischen komischen (oder war er es schon immer?) Podcast-Partner von, ja genau, Markus Lanz.

Der hat im Schlussplädoyer von Habeck direkt noch einen eingeschenkt bekommen: „Wo ist die Markus Lanz-Sendung gewesen, wie verlogen wir sind, dass wir uns über Putin aufregen, aber mit saudischem Öl durch die Gegend gondeln?“ Okay das war persönlich. Wünschen Sie sich nicht auch die Zeit zurück, als es noch 80 Millionen Bundestrainer in Deutschland gab? Oder danach 80 Millionen Corona-Experten? Nee, das doch lieber nicht mehr. Mein Tipp deshalb ganz ohne Sprache: Gehen Sie raus, spazieren, Freunde treffen oder schwimmen Sie, nicht sprachlich, sondern wirklich im klaren, sauberen Wasser. Ja, das würde auch Habeck gefallen.

Der Autor Murtaza Akbar ist Geschäftsführer von Wortwahl – Agentur für Unternehmens- und Onlinekommunikation in Neu-Isenburg. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Dozent an der Hochschule Darmstadt im Studiengang Onlinekommunikation sowie Speaker, Trainer und Coach zum Thema Sprache und (Kunden-)Kommunikation – hier geht’s zu seiner Speaker-Broschüre. Zu erreichen ist Murtaza Akbar per E-Mail beziehungsweise via TwitterInstagram und Facebook.