Das PR-Interview PR-Interview: „Es gab für uns nur zwei Möglichkeiten – losmachen oder rübermachen“

Der deutschen Einheit ist in den vergangenen Wochen und Tagen vielfach gedacht worden. Am 3. Oktober feierten die Deutschen den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung. In diese Zeit fallen auch die Feierlichkeiten der Zebra Group zum 30-jährigen Bestehen. Formal wurde sie zwar erst 1991 gegründet, doch die Entstehungsgeschichte begann mit dem Mauerfall 1989. Für die beiden Gründungsgeschäftsführer Joerg G. Fieback und Thomas Pfefferkorn war es eine wilde Zeit. Das „PR-Journal“ hatte Gelegenheit im Interview mit den Beiden diese Zeit Revue passieren zu lassen. Eines der interessanten Phänomene aus dieser Zeit: Trotz einer klaren Verortung in der Werbung, war immer auch PR gefragt.

Die Gründungsgeschäftsführer der zebra group Joerg G. Fieback (links) und Thomas Pfefferkorn haben Spaß an den eigenen Erinnerungen.

PR-Journal: Wir feiern 30 Jahre deutsche Einheit, Sie beide haben vor fast 30 Jahren eine Werbeagentur in Chemnitz gegründet, während Gleichaltrige ihr Glück im Westen suchten. Ein kühner Entschluss, wie kamen Sie dazu?
Thomas Pfefferkorn: Die Wendezeit war eine verrückte Zeit. Überall sprossen die Unternehmen wie Pilze aus dem Boden, es herrschte eine große Aufbruchsstimmung. Joerg und ich waren befreundet und wir hatten Lust, etwas gemeinsam zu machen. Wir überlegten, was wir so können. Nach einem Surftrip in Südfrankreich war klar, dass es für eine Profi-Surferkarriere nicht reichen wird…
Joerg G. Fieback: Es gab für uns nur zwei Möglichkeiten. Losmachen oder rübermachen. Wir entschieden uns für ersteres. Wir haben das Buch „Über Werbung“ von David Ogilvy gelesen. Auf dieses Business hatten wir Lust. Wir wollten mit kreativen Menschen etwas auf die Beine stellen und eine Werbeagentur gründen. Ohne dass wir jemals eine von innen gesehen hatten.
Thomas Pfefferkorn: Ja, das war wirklich kühn. Wir dachten so an zehn Leute. Das fühlte sich damals schon riesig an. Heute sind wir über 100 Leute.

PR-Journal: Brauchte es eine Werbeagentur aus dem Osten? Es gab doch schon so viele im Westen.
Fieback: Der Bedarf war da. Obwohl es so ein Geschäftsmodell zu DDR-Zeiten nicht gegeben hat, verstanden die Leute und Unternehmer schnell, dass es Werbung braucht und gaben dafür Geld aus. Wir haben mit einfachen Prospekten, Flyer, Print-Sachen, mit Logos, mit Geschäftsausstattungen begonnen.

PR-Journal: Sie sind eine Werbeagentur, das ist klar. Gleichwohl kann ich mir vorstellen, dass Sie in den Anfangsjahren auch Anfragen hatten in Richtung Presse- und Medienarbeit etc., sprich PR-Aufgaben?
Pfefferkorn: Anfragen für reine PR-Projekte gab es tatsächlich nicht. Aber PR war für uns immer ein wichtiger Teil im Marketingmix. Heute können wir unsere Kunden 360 Grad bedienen, das heißt mit ganzheitlicher Kommunikation, die auch die PR-Arbeit mit einschließt.

PR-Journal: Welche Vorstellungen hatten Sie so kurz nach der Wiedervereinigung?
Pfefferkorn: Der Eiserne Vorhang war ja ein bisschen durchsichtig. Das Westfernsehen brachte uns die glitzernde Werbewelt. Das hat uns inspiriert. Sowas schwebte uns vor. Aber frühzeitig war klar: es sollten namhafte Produkte sein, für die wir arbeiten. Oma wollten wir beim Familientreffen sagen können: ‚Für das Shampoo, Oma, das bei dir im Bad steht, haben wir die Werbung gemacht.‘

Zebra Group Clippings Von Almsick

1997 – Mit der Haarpflege-Kampagne von Florena mit Franziska van Almsick erreicht das „Nivea des Ostens“ nationale Aufmerksamkeit.

PR-Journal: Worin lagen die größten Herausforderungen damals? Wenn ich richtig rechne, waren Sie damals Anfang zwanzig.
Pfefferkorn: Eine Herausforderung war tatsächlich, ernst genommen zu werden und als unerfahrener 19- und 20-jähriger Ossi überhaupt einen Termin in der Chefetage von Markenherstellern zu bekommen. Der Zufall wollte es, dass wir nach ersten kleineren Jobs den Entscheidern der Diamant-Fahrradwerke empfohlen wurden. Das war die Fahrradmarke im Osten. Unseren ersten Pitch für den 40-seitigen Katalog machten wir mit Pappen, auf die wir Collagen geklebt haben. Das war damals gängige Praxis, um Layouts zu präsentieren. Wir hatten keine Rechner, kein Internet. Wir hatten keinen so inflationären Zugriff auf Bilder, wie das heute mit Google und Instagram möglich ist, alles musste im Kopf entstehen. Um jemanden zu überzeugen, musstest du sehr erfinderisch sein.

Zebra Group Prospekt Diamant 1993

1993 - Der Fahrradhersteller Diamant kann als erster großer Kunde in einem Pitch für den neuen Katalog gewonnen werden.

Fieback: Auch Diamant hat damals neu angefangen, sie hatten ein neues Sortiment und der Charme war für sie, dass sie das mit einer jungen Agentur aus Chemnitz machen wollten, die auch in den Aufbruch rein will. Sie sind dabei ein großes Risiko eingegangen – wie wir auch. Weil wir so unerfahren waren, haben wir uns tierisch verkalkuliert. Ich weiß noch, wie bleich wir wurden, als wir in der Lithoanstalt in Nürnberg waren, diese Zwischenstufe hatten wir komplett unterschätzt. Als ich den Preis für die Bearbeitung sah, bekam ich kurz Schnappatmung. Aber wir mussten diesen Job über die Bühne bekommen. Das waren wir Diamant schuldig. Am Ende hatten wir zwar Verlust gemacht, aber als Referenz war das Projekt unbezahlbar. Wir gewannen damit beim internationalen Druckschriften Wettbewerb Type einen Preis für die Konzeption. Auf der Preisverleihung in Düsseldorf haben wir uns dann total unwohl gefühlt zwischen all diesen großen Werbeagenturen aus dem Westen. Aber wir standen auf der Bühne und mit dem Award konnten wir losziehen.
Pfefferkorn: Der Diamant-Katalog brachte Reputation und war Türöffner zu anderen Marken.

Nivea des Ostens

PR-Journal: Und was kam dann als Nächstes?
Fieback: Zetti Knusperflocken war das nächste große Kult-Produkt aus dem Osten. Dann fielen die Markenkunden wie die Dominosteine. Der Höhepunkt war für uns Florena. Mit Franzi van Almsick machten wir damals die erste große Testimonial-Kampagne einer Ostmarke. Franzi war der erste gesamtdeutsche Weltstar und trainierte für Olympia. Und dann warb sie für diese Marke aus Waldheim, dieses Nivea des Ostens. Es ging auf: Franzi glaubte man, dass sie mit dieser Marke aufgewachsen ist. Wir hatten damals viel Presse, denn wir präsentierten Franzi mit Lockenwicklern. Das schaffte es sogar auf Titelseiten.

Zebra Group Werbung Zetti Stefan Kretzschmar

1995 – Ex-Handballstar Stefan Kretzschmar macht eine teuflisch gute Figur für die Marke Zetti Knusperflocken, ein Werbeklassiker der Nachwendezeit.

PR-Journal: Was waren die entscheidenden Weggabelungen in den ersten Jahren?
Pfefferkorn: Die Westmarken merkten, dass der Ostmarkt anders tickte und dass sie mit ihren nationalen Kampagnen im Osten nicht vorwärts kamen. Auch nicht gegenüber den regionalen Ostmarken. Wir sollten mit unserem Wissen über die Zielgruppe ost-spezifische Kampagnen erarbeiten. Da kam es uns zugute, dass wir auch eng mit PR-Agenturen zusammengearbeitet haben und wussten, welche ostdeutschen Themen relevant und interessant waren. So kam es, dass die Presse zeitweise auch dankbar über unsere Werbekampagnen für bekannte Ostmarken berichtet hat. Das hat unseren Erfolg natürlich beflügelt.
Fieback: Aus dem Auftrag mit Diamant hat sich viel Neues entwickelt. Diamant gehörte zur schweizerischen Villiger Gruppe, die bereits die Fahrradmarke Villiger etabliert hatten. Sie vertrauten uns später auch den Villiger-Katalog an, dann den für die Edel-Mountainbike-Marke und für weitere Marken. Das ist uns oft gelungen. Mit einem Einstiegsjob haben wir gezeigt, was wir draufhaben und dann gingen weitere Türen auf. So war es auch bei Bautz’ner, die zu Develey gehören. Wir begannen für Develey zu arbeiten und wir betreuten deren bayerische Gurkenmarke Specht.

Größte inhabergeführte Agentur Ostdeutschlands

PR-Journal: Sie haben mit Standorten in Chemnitz, Dresden und Leipzig die größte inhabergeführte Agentur Ostdeutschlands aufgebaut. Warum ist ausgerechnet die zebra | group die Nummer Eins im Osten geworden?
Pfefferkorn: Wir waren von Anfang an stark in der Führung großer Ostmarken. Das führte zu interessanten Weiterempfehlungen und potenziellen Neukunden, die unsere Arbeiten gut fanden. Einer dieser Kunden war Bautz’ner Senf, für den wir seit 21 Jahren arbeiten dürfen. Das zeigt, dass wir das, was die Kunden erwartet haben, auch leisten konnten.
Fieback: Die beliebten Ostmarken erlebten damals ihre Renaissance. Unsere Kampagnen waren permanent sichtbar. Es wurde in der Branche darüber gesprochen, wie gesagt, wir hatten mit unserer Arbeit immer viel Öffentlichkeit – sowohl in den Fachmedien als auch in der Publikumspresse. Außerdem war es ein ausgesprochenes Ziel von uns, unter die Top drei Agenturen in Ostdeutschland zu kommen.

PR-Journal: Wie haben sich Kommunikation und Werbung in den Jahren verändert?
Fieback
: Was Konsum und die Anforderungen an Werbung angeht, haben sich Ost und West stark angeglichen. Den ostdeutschen Konsumenten ging es in der Werbung schon immer um Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit. Das sind heute auch gesamtdeutsche oder globale Trends. Da sind wir mit unserem Ansatz die ganzen Jahre gut unterwegs gewesen, das fällt uns leicht.

Zebra Group Werbung und Clipping

1996 — Die Presse druckte in ihrer Berichterstattung über die zebra group auch deren Werbemotive mit ab.

PR-Journal: Gibt es heute noch den entscheidenden Unterschied zwischen Ost- und West-Agentur?
Fieback: Da gibt's keine Unterschiede mehr. Unsere Branche steht unter so viel Veränderungsdruck, da kann man heute nicht mehr von der Agentur sprechen. Es gibt so viele verschiedene und auf ihre Weise erfolgreiche Agenturmodelle. Wichtig ist es, ein neues Grundverständnis unserer Dienstleistung zu entwickeln

PR-Journal: Wie sehen Sie die Entwicklung in der Werbekommunikation?
Pfefferkorn: Es wird auf jeden Fall noch viel, viel digitaler werden. KI wird genauso in die Kommunikation einfließen, im ersten Step sicher erst einmal beim Thema Umsetzung. Ob es KI für Kreation geben wird, kann ich nicht sagen. Messbare KPIs werden noch wertvoller werden als die KPIs vor zehn bis 15 Jahren. Das waren weichere Faktoren wie Bekanntheit oder Image-Werte. Jetzt geht es darum, wie viele User habe ich auf meine Seite geführt, welche Abschlüsse habe ich gemacht und wer hat den Spot gesehen.
Fieback: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Agenturen oder für erfolgreiche Kommunikation wird in Zukunft sein, dass wir all die Möglichkeiten, die neue Technologien bieten, mit exzellenter Kreation verknüpfen. Nur auf diesem Weg werden neue intelligente Kampagnen entwickelt, die wirklich etwas bewegen können. Es ist eine große Herausforderung, denn Technologen, Programmierer, sprich digitale Experten, pflegen teilweise eine andere Kultur als Kreative. Sie alle sind aber aufeinander angewiesen. Sie müssen sich als ein starkes Team fühlen und vertrauensvoll miteinander arbeiten. Dann entstehen wirksame Kampagnen. Im Alltag von zebra gelingt das schon ziemlich gut.

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