Griepentrog Wolfgang Autor 2017Wolfgang Griepentrog (Foto) gehört zu den ersten Kommunikationsprofis, die hauptsächlich als Interim Manager tätig sind. Seit langem engagiert er sich dafür, diesen Markt stärker für die Kommunikationsbranche zu erschließen. Seit zehn Jahren übernimmt der ehemalige PR-Chef des Handelskonzerns Metro Kommunikationsjobs auf Zeit. Im Interview mit dem „PR-Journal“ berichtet er über aktuelle Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen Unternehmen, Agenturen und Beratern.

PR-Journal: Herr Griepentrog, Sie arbeiten jetzt seit zehn Jahren als Interim Manager in Kommunikationsfunktionen. Wie hat sich dieser Markt seither verändert?
Griepentrog: Der Bedarf an Interim Managern in Führungs- oder Linienfunktionen der Kommunikation ist gestiegen, weil sich die Rahmenbedingungen der Kommunikationsbranche verändert haben.
Hier kommen vor allem zwei Entwicklungen zum Tragen: Zum einen haben sich Rolle und Anforderungsprofile von Kommunikationsmanagern in Unternehmen deutlich gewandelt – weg vom silohaften Arbeiten, weg vom internen oder externen Sprachrohr des Managements hin zum vernetzt denkenden und handelnden Strategen. Kommunikationsmanager sind mit ihrer Kompetenz heute auch immer mehr als Kulturveränderer, Change Begleiter oder Impulsgeber für Innovationen gefordert. Aber oft fehlen diese Kompetenzen, wenn es darauf ankommt.
Zum anderen haben viele Unternehmen in den letzten Jahren ihre Kommunikationsstrukturen nicht so entwickelt, dass sie gestiegenen Anforderungen mit den verfügbaren Ressourcen gerecht werden können. Ihnen fehlen Ressourcen, aber auch Know-how, um beispielsweise in kritischen Situationen oder in Großprojekten den Kommunikationsbedarf zu erkennen und zu decken oder um tiefgreifende Veränderungsprozesse durch begleitende Kommunikation zum Erfolg zu führen. Aus beiden Faktoren ergeben sich gute Marktchancen für erfahrene Interim Manager.

"Change- und Kommunikationsbegleitung ist für Projekt- und Unternehmenserfolge essentiell"

PR-Journal: Welche Mandate betreuen Sie aktuell und welche Erkenntnisse haben Sie dabei gewonnen?
Griepentrog: Als Interim Manager erlebe ich, dass das Spektrum des Kommunikationsmanagements heute viel größer ist als noch vor wenigen Jahren. Ich habe gerade einen spannenden Einsatz in der Deutschen Bahn Fernverkehr AG abgeschlossenen, wo ich mehr als ein Jahr lang an Bord war. In einem ersten Mandat habe ich dort die Kommunikation für ein Top-Projekt des digitalen Wandels in der Planung und Steuerung des Betriebs aufgebaut. Das Projekt soll maßgeblich zu mehr Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Fernverkehr der Bahn beitragen. Die gute Change- und Kommunikationsbegleitung ist für den Erfolg dieses mehrjährigen, kulturverändernden Projekts essentiell. Im jüngsten Mandat habe ich die Kommunikation der IT-Organisation des Unternehmens aufgebaut und wie eine Linienfunktion etabliert. Dieser Bereich ist in kurzer Zeit von einigen wenigen auf über 100 Mitarbeiter gewachsen mit Verantwortung für Millionenbudgets und ehrgeizigen IT-Zielen. In einem stark IT-getriebenen Unternehmen wie der Bahn hängt viel davon ab, dass die Standards und Lösungen der IT, aber auch die CIO-Kultur intern und extern gut kommuniziert werden. An der Spitze der IT-Organisation steht ein wirklich visionärer CIO, der grundlegende Innovationen angeschoben hat und dazu eben auch eine leistungsfähige Kommunikation braucht.

PR-Journal: Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht? Welche Haupterkenntnisse sind das?
Griepentrog: Ich möchte fünf Erfahrungen herausstellen, die den heutigen Scope von Interim Managern in der Kommunikation deutlich machen.
1. Kommunikation hat immer häufiger einen kulturellen Auftrag. So wie im Beispiel der Bahn muss ich als Kommunikationsmanager meine Aufgabe darin sehen, mit den Mitteln der Kommunikation und darüber hinaus eine spezifische Unternehmens- oder Bereichskultur zu etablieren. Dazu gehört es zum Beispiel, die Identität und das gemeinsame Selbstverständnis zu klären. Kurzum: Kommunikation muss auf die Kultur einzahlen.
2. Kommunikationsmanager sind zu interdisziplinärem Arbeiten verpflichtet. So muss ich zum Beispiel im Change Management auch klassische HR-Tools aktiv für Kommunikations- und Kulturprozesse nutzen. Im letzten Bahnprojekt habe ich wieder erfolgreich eine Barometerabfrage aufgesetzt, um die Wahrnehmung und Erwartungen von Mitarbeitern und Führungskräften im Veränderungsprozess zu ermitteln und daraus konkrete To Dos abzuleiten.
3. In vielen Interim Mandaten geht es auch darum, Kompetenzen und Strukturen der Kommunikation als Linienfunktion entweder aufzubauen oder effizienter zu gestalten. Unternehmen haben ein großes Interesse an effizienten Kommunikationsprozessen mit spürbarem Mehrwert. Als Interim Manager muss ich sicherstellen, dass diese Prozesse auch später nach Ende des Mandats gut funktionieren.
4. Es ist grundsätzlich wichtig, Kommunikationswege zu erklären. Das beste Konzept nützt wenig, wenn man das Unternehmen mit der Umsetzung alleine lässt. Es wird erwartet, dass man knapp und präzise zeigt, was Kommunikation leisten kann und muss, welche Lösungen erfolgversprechend sind und wie diese dann umgesetzt werden. Mit klarer Strategie im Hinterkopf sollte man also pragmatisch und hands-on handeln.
5. Die Messung von Kommunikationserfolgen ist ein Dauerthema der Branche. Als Interim Manager kommt man nicht darum herum. Es gibt klare Parameter, anhand derer man messen kann, wie gut die Kommunikation das Unternehmen oder ein Projekt voranbringt. Es wird heute erwartet, dass man Kommunikation über definierte KPIs transparent macht.

"Interim Manager arbeiten komplementär zu Agenturen"

PR-Journal: Das hört sich so an, als könnten das wertvolle Impulse für die Kommunikationsbranche sein. Warum ist Interim Management trotzdem noch ein Nischenthema? Gibt es hier Wettbewerbsängste zwischen Agenturen und Interim Managern?
Griepentrog: Das glaube ich nicht. Die Arbeitsweisen sind ganz unterschiedlich. Berater und Agenturen bieten den Unternehmen eine unabhängige Dienstleistung, wobei die Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse beim Auftraggeber bleiben. Sie empfehlen eine Lösung und setzen sie auftragsbezogen um. Als Interim Manager in Kommunikationsfunktion bin ich dagegen ein integraler Bestandteil des Unternehmens, entwickele nicht nur Kommunikationslösungen, sondern setze diese eigenverantwortlich um. Ich muss selbst die notwendige Überzeugungsarbeit bei Führungskräften und Mitarbeitern dafür leisten und ins Unternehmen hineinwirken. Im Gegensatz zu Agenturen übernehme ich Verantwortung für die Unternehmens- oder Projektkommunikation insgesamt oder in definierten Bereichen. Ich unterstütze Unternehmen und Manager von innen heraus. Im Grunde arbeiten wir Interim Manager nicht als Wettbewerber von Agenturen, sondern komplementär, wobei wir vorrangig versuchen, intern verfügbare Ressourcen einzubinden.

PR-Journal: Was würden Sie sich als Interim Manager für die Kommunikationsbranche wünschen?
Griepentrog: Von mehr Flexibilität und bedarfsorientierten Angeboten im Kommunikationsmanagement profitieren alle. Die meisten Interim Manager arbeiten rechtlich als Freiberufler und haben daher in der Branche keine Lobby. Noch immer gilt die Aufmerksamkeit daher den Nachwuchs-Kommunikatoren, während neue Marktchancen für erfahrene Kommunikationsprofis kaum thematisiert werden. Das sollte sich ändern. Und manchmal wundere ich mich auch, wenn in den einschlägigen Branchenmedien Kollegen als Interim Manager präsentiert werden, die eigentlich kaum dem typischen Profil eines Interim Managers entsprechen, sondern eher ihre frühere presseorientierte Tätigkeit als Vakanzüberbrückung in Unternehmen fortsetzen. Ich wünsche mir hier mehr Substanz und eine aktive Einbindung von Interim Managern in die Themen- und Angebotswelten der Verbände.


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