Das PR-Interview Julia Winkels von Bold über Fashion- und Lifestyle-PR: Der Influencer ist längst der neue Journalist

Winkels Julia Gf BoldSind Lady Gaga und Justin Bieber „in“ oder bereits alternde Popstars? Trägt man noch Skinny Jeans? iPhone 7 oder ein Billigmodell? Instagram oder Snapchat? Mögen Modepäpste noch über Blau oder Lila als Farbe der Saison philosophieren, rennen jedes Wochenende längst tausende junger Menschen komplett in Schwarz ins Berliner Berghain. Die weltweite Party-Community trägt jetzt Schwarz! Für Unternehmen und Marken aus Fashion und Lifestyle kann es um Milliarden Euro gehen, wenn sie einen Trend verpassen und mit ihren Kommunikationsmaßen bestimmte „Urban Subcultures“ nicht erreichen.
„Der Beratungsbedarf ist deshalb so groß wie nie“, erklärt Julia Winkels (Foto), Geschäftsführerin der Agentur Bold aus Berlin. Das „PR-Journal“ sprach mit ihr über Fashion-PR und die Bedeutung von Influencern.

Die Agentur Bold mit 32 Mitarbeitern sitzt in der hippen Torstraße und berät Kunden wie Urban Outfitters, Hendrick´s Gin, Eastpak, Zalando, Burton, Rausch (Schokolade) und Bugaboo. Das Büro – verteilt über mehrere Altbau-Etagen – erinnert an einen Showroom für Modemarken.

PR-Journal: Frau Winkels, mit welchen Maßnahmen erreichen Mode- und Lifestyle-Marken ihre Zielgruppen?
Julia Winkels: Unsere Kunden sind verstärkt im urbanem Modesegment zuhause und sehr angesagt bei Käufern zwischen 20 und 35 Jahren. Im Lifestyle-Bereich teilt sich PR auf Print und Online 50 zu 50 auf; in den USA ist Online stärker. Unsere Konzepte müssen also je nach Kunde einerseits den Print-Markt mit Titeln wie „Harper´s Bazaar“, „Grazia“ oder „GQ“ über klassische Pressearbeit, Pressemitteilungen, Redaktionsbesuche und das Zusenden von Produkt-Samples abdecken, aber eben auch das Internet über Influencer, die für bestimmte Subkulturen relevant sind. Diese zu kennen und zu erreichen, das ist unsere Aufgabe als Agentur.

PR-Journal: Wie findet man die richtigen Influencer?
Winkels: Influencer kommunizieren in ihren eigenen Blogs, auf Instagram, Snapchat oder bei den ganz jungen auf YouTube über Erlebnisse oder Produkte, die sie nutzen und die ihnen gefallen. Sie sind digitale Trendsetter, die in ganz bestimmten Gruppen Tausende von Fans oder Followern haben. Nur wäre es falsch, einen Influencer nur nach der Zahl seiner Follower zu bewerten. Wichtig ist vielmehr: Wer genau sind die Follower? Welche Produkte kann ihnen ein Influencer glaubwürdig vorstellen? Wie aktiv sind die Leser und User? Inzwischen gibt es allein in Deutschland einen Markt von mindestens 15 bis 20 sehr relevanten Influencern mit völlig unterschiedlichen Schwerpunkten.

PR-Journal: Wer sind wichtige Mode- und Lifestyle-Influencer in Deutschland?
Winkels: Zum Beispiel Nike van Dinther von This is Jane Wayne, Karl Jacob Haupt und David Roth von Dandy Diary, Wana Limar, Caro Daur oder Veronika Heilbrunner für den High-Fashion Bereich. Mit „Highsnobiety“ kommt auch das wichtigste Online Magazin für urbane Mode und Subkultur aus Deutschland. Es gibt für jedes Produkt den passenden Ambassador.

PR-Journal: Wie gewinnt man einen Influencer, ein Produkt zu präsentieren?
Winkels: Influencer leben von ihrer Glaubwürdigkeit. Deshalb ist es wichtig, dass sie regelmäßig mit ihrer Community auch über andere Themen als Produkte kommunizieren und interessant bleiben. Ein Influencer muss von den Produkten, die er vorstellt, überzeugt sein. Natürlich fließt hier häufig Geld, aber generell präsentieren Blogger oder Instagramer Produkte, die ihnen gefallen. Nicht selten schicken wir diesen Personen Samples unserer Kunden und sie stellen es auf ihren Plattformen vor. Diese Form der PR-Arbeit unterscheidet sich nicht von der Arbeit mit Mode-, Lifestyle- oder Frauenzeitschriften, die ebenfalls gezielt bei uns Produkt-Samples anfragen.

PR-Journal: Auf welche Weise stellt man Kontakt zu Influencern her?
Winkels: Einige machen alles allein, andere haben Agenten, die den finanziellen Teil abwickeln – ähnlich wie bei Fotografen oder Schauspielern. In Deutschland sitzen im Streetwear-Bereich die meisten Blogger und Instagramer in Berlin. Hier sind die spannenden Subcultures. Für uns als Agentur heißt das, Influencer persönlich zu kennen. Sie kommen öfter vorbei und wir präsentieren ihnen Produkt-Samples vor Ort.

Bold PressDaysPR-Journal: Hilft es, mit seinen Themen und Produkten in Mode-, Szene- oder Lifestylemedien vorzukommen, wenn man Anzeigen bucht?
Winkels: Das ist doch schon immer so gewesen. Natürlich erinnern sich Lifestyle-Titel gerne an ein Produkt oder Unternehmen, wenn man dort Werbung schaltet. Es wird gerne so getan, als ob Produkte ausschließlich aus redaktionellen Gründen vorgestellt werden. Aber Fachleute wissen natürlich, dass Anzeigen in Modetiteln häufig den redaktionelle Inhalt beeinflussen. Im Grunde ist Influencer-Marketing viel ehrlicher: Hier ist es derart offensichtlich, dass Produkte gegen Geld präsentiert werden, mit dem Ziel, mehr zu verkaufen und die Bekanntheit zu erhöhen. Stellt ein Influencer ein Produkt vor, dann wird es meist direkt verlinkt, so dass das Produkt sofort gekauft werden kann. So lässt sich anschließend auch auf der jeweiligen Produktseite erkennen, wie sich die Zahlen entwickeln.

PR-Journal: Wird PR nicht zum Marketing, wenn es eine direkte Korrelation zu Verkaufszahlen gibt?
Winkels: Ja. In unseren Angeboten definieren wir inzwischen häufig KPIs, die in manchen Fällen auch das Honorar beeinflussen. Natürlich können wir vorab ganz genau einschätzen, was wir in welchem Zeitraum erreichen können.

PR-Journal: Welches Profil besitzen Ihre Mitarbeiter?
Winkels: Wir haben wie jede Agentur PR-Berater, die Projekte strukturiert managen und hervorragende Texte schreiben können. Aber gleichzeitig brauchen wir auch Mitarbeiter, die sich in diversen Szenen und Subkulturen auskennen und die sich dafür begeistern. Einige unserer Kollegen sind inzwischen selbst Influencer. Sie unterscheiden sich von Mitarbeitern in großen Agenturen, weil sie deutlich unabhängiger und flexibler arbeiten wollen, was wir fördern. Die Kollegen sollen sich Kunst und Kultur anschauen, netzwerken und sich mit anderen verbinden. Will jemand mit einem Blogger nachmittags einen Kaffee trinken gehen, kann er das gerne machen. Mit einem Standard-Job hat das nicht viel zu tun.

Foto: Press Days Berlin – Agenturen wie Bold präsentieren Mode- und Lifestyle-Journalisten sowie Bloggern die Kollektionen und neue Produkte ihrer Kunden.