„Das PR-Interview“ wird realisiert von k1 gesellschaft für kommunikation, Köln

nagel-katjaInterview mit Katja Nagel (Foto), Geschäftsführerin von Cetacea, München zu den besonderen Herausforderungen der  insolvenzbegleitenden PR

PR-Journal: Was ist die besondere Herausforderung bei der insolvenzbegleitenden PR? Inwiefern unterscheidet sie sich von „normaler“ PR?

Katja Nagel: Während normale PR wie ein Hausarzt arbeitet, der seine Patienten über die Zeit hinweg gesund erhält, braucht ein insolventes Unternehmen den „Notarzt“: Es geht akut um die Existenz. Das bedeutet: allenfalls wenige Tage Vorbereitungszeit, keine Erfahrungen oder Vorlagen im Unternehmen, ein zeitlich völlig überlastetes Management und vor allem keine zweite Chance. Das ist Krisen-PR in extremer Ausprägung, weil hohe Finanzrisiken, Emotionalität und rechtliche Relevanz mit stark negativer Konnotation und geringer Vorwarnzeit zusammentreffen.

PR-Journal: Welche Kunden greifen auf diese spezielle Dienstleistung zurück?

Katja Nagel: Reputation und Kundenvertrauen während einer Insolvenz zu bewahren, lohnt sich nur, wenn die Komplettübernahme durch einen Investor möglich scheint oder das bestehende Management bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Sanierungsplan umsetzt, kurz: wenn das Unternehmen oder zumindest die Marke fortbestehen soll. Aktuell ist das zum Beispiel beim Suhrkamp-Verlag der Fall. Unternehmen, die sich in einer „zerschlagenden Insolvenz“ befinden und aufgelöst werden, investieren nicht mehr in Kommunikationsanstrengungen.

PR-Journal: Welche Ziele und Möglichkeiten hat diese Form der Öffentlichkeitsarbeit?

Katja Nagel: Ein insolventes oder von Zahlungsunfähigkeit bedrohtes Unternehmen hat nur dann eine Überlebenschance, wenn sich Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter nicht abwenden. Die zentrale Botschaft in der ersten Phase ist also: „Wir sind in einem Insolvenzverfahren, aber trotzdem weiterhin ein leistungsfähiger Partner.“ Später geht es dann darum, die Sanierungsmaßnahmen zu vermitteln. Und in der Schlussphase müssen die Gläubiger davon überzeugt werden, dem Sanierungsplan zuzustimmen. Wichtigstes taktisches Ziel: Jeder Stakeholder erhält jede Information zuallererst direkt vom Unternehmen und muss nie auf Spekulationen oder Fremdinterpretationen zurückgreifen.

PR-Journal: Welche besonderen Fähigkeiten sind vonseiten der Agentur gefragt, wenn man damit Erfolg haben will?

Katja Nagel: Es geht für die Mitarbeiter um den Arbeitsplatz und für die Gläubiger um viel Geld. Entsprechend tiefgehend ist das Informationsinteresse der Kommunikationszielgruppen. Das erfordert von uns einen tiefen Einstieg in die Materie - nicht nur bei betriebswirtschaftlichen Hintergründen und insolvenzrechtlichen Fragen, sondern auch bei gesellschafts-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtlichen Aspekten.

PR-Journal: Welche Instrumente und Methoden sind in der Insolvenzkommunikation besonders relevant?

Katja Nagel: Öffentlichkeitsarbeit spielt natürlich immer eine Rolle, vor allem aber die Information der Mitarbeiter per internen Medien und Veranstaltungen. In Richtung Kunden und Gläubiger geht es um das inhaltliche wie technische Handling von Mailings oder Reaktionen, gegenüber Gesellschaftern, Vertretungsgremien oder Politik um individuelle Ansprache und Präsentation. Das Erzeugen von Aufmerksamkeit ist dagegen eines der wenigen typischen PR-Ziele, die wir in der Insolvenzkommunikation kaum brauchen. Aufmerksamkeit bekommt ein insolventes Unternehmen meistens mehr, als ihm lieb ist.

PR-Journal: Gibt es bei insolvenzbegleitender PR eigentlich Vorkasse? Anders gefragt: Sind die Honorare sicher?

Katja Nagel: Letztlich sogar sicherer, als wenn man als Agentur für einen wirtschaftlich angeschlagenen Auftraggeber arbeitet, bei dem das Thema Insolvenz noch nicht im Raum steht, denn man redet von Anfang an offen. Vorkasse ist tatsächlich die bevorzugte Zahlungsmöglichkeit. In manchen Fällen wird der Auftrag aber auch von einem Gesellschafter erteilt, der nicht selbst insolvenzbedroht ist, aber ein Interesse am Fortbestand des Beteiligungsunternehmens hat. Und ab dem Zeitpunkt des Schutzschirm- oder Insolvenzantrags sind neu entstehende Honoraransprüche ohnehin als Masseverbindlichkeit abgesichert.

Katja Nagel  ist Geschäftsführerin von Cetacea Communications & Public Relations, München (www.cetacea-gmbh.de)


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