Autoren-Beiträge Vom Wert einer guten Geschichte: Kommunikation in Change-Projekten

Viele Transformationsprojekte starten mit einer durchdachten Strategie und versierten Expertinnen und Experten an ihrer Seite – und scheitern dennoch. Nicht an der Technik, nicht am Budget, sondern an den Menschen. Praxis und Studien zeigen immer wieder: Die größte Hürde ist die Akzeptanz. Häufig misslingen Veränderungsprozesse, weil die Mitarbeitenden diese nicht annehmen wollen oder nicht bereit sind, sich darauf einzulassen. Daher gilt: Wer Transformation wirklich will, muss sie nicht nur durchdenken, sondern auch durchsprechen.

Birgit Grassmann (Foto: Archetype)

Kommunikation ist mehr als ein begleitendes Element. Sie ist ein strategisches Instrument, das den Wandel trägt. Frühzeitig eingesetzt, weckt sie Interesse, schafft Offenheit und Orientierung, reduziert Widerstände und macht Veränderung überhaupt erst vermittelbar. Entscheidend dabei ist, ein klares Zielbild zu schaffen – eine Vision. Change-Experte John Kotter bringt es auf den Punkt: „Eine Vision, die nicht kommuniziert wird, hat keine Chance, umgesetzt zu werden.“ Kommunikation entscheidet mit darüber, ob Mitarbeitende sich mitgenommen oder übergangen fühlen, ob sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – oder ob sie in den Rückzugsmodus gehen.

Die Frage nach dem Warum

Denn gelungene Transformation beginnt nicht mit Technologie oder neuen Prozessen, sondern immer mit der Frage: Warum tun wir das eigentlich? Wenn Mitarbeitende verstehen, weshalb sich etwas verändert, was genau sich verändert und welchen Beitrag sie leisten können, dann wird Wandel zu etwas Gestaltbarem. Dann entsteht Mitwirkung. Dann wird Veränderung vom abstrakten Schlagwort zur greifbaren Realität.

Damit das gelingt, braucht es Kommunikation, die dieses Warum stets vor Augen hält – klar, konsistent und zielgerichtet. Die nicht nur informiert, sondern aktiviert und zur Beteiligung motiviert. Und dafür muss sie natürlich dort ansetzen, wo sie den größten Unterschied macht: bei den Menschen.

Kommunikation strategisch in den Change-Prozess einbauen

Wichtig ist dabei, frühzeitig mit der Analyse zu beginnen: Wer ist von der Veränderung betroffen? Welche Erwartungen, Sorgen oder Hoffnungen gibt es in verschiedenen Gruppen? Eine durchdachte Stakeholderanalyse macht diese Dynamiken sichtbar – und legt die Grundlage für gezielte Kommunikation.

Eine professionelle Change-Kommunikation hat dabei drei Kernaufgaben:

  • Ängste abbauen: Veränderungen rufen naturgemäß Unsicherheit hervor. Wer offen, ehrlich und transparent kommuniziert, hilft, Vertrauen aufzubauen.
  • Führungskräfte befähigen: Wer Führungskräfte zu aktiven Kommunikator:innen macht, schafft Vorbilder.
  • Mitarbeitende einbinden: Wer auf Dialog statt auf Durchsagen setzt, macht aus Betroffenen Beteiligte.

Die Change Story ist der Kompass

Im Zentrum steht dabei die Change Story. Sie ist das übergeordnete Narrativ, das Orientierung gibt und Menschen miteinander verbindet. Eine gute Change Story beantwortet drei Fragen: Warum müssen wir uns verändern? Was genau verändert sich? Und wie gestalten wir diesen Weg gemeinsam? Sie vermittelt Sinn und Dringlichkeit, benennt Chancen und macht deutlich, wohin die Reise geht und wer sie mitgestaltet. Sie dient also als eine Art Kompass für die Kommunikation.

Doch eine solche Geschichte entsteht nicht in der Kommunikationsabteilung am Schreibtisch. Sie muss in enger Zusammenarbeit mit dem Transformationsteam, mit Führungskräften und Projektverantwortlichen entwickelt werden. Oft zeigen sich dabei blinde Flecken oder unklare Botschaften – die Diskussion darüber führt zu mehr Klarheit, nicht nur in der Kommunikation, sondern im Change-Prozess selbst.

Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlicht, welche Kraft in einer starken Change-Story liegen kann: In einem Industrieunternehmen gelang es, ein technisches Transformationsprojekt emotional aufzuladen. Mitarbeitende, die sich zuvor kaum mit dem Produkt identifiziert hatten, verstanden plötzlich wieder ihren Beitrag zum großen Ganzen. Die Marke wurde emotional greifbar, der Stolz auf die eigene Arbeit kehrte zurück. Der Wandel zu einer neuen Arbeitsweise gelang. Nicht, weil die Technologie so revolutionär war – sondern weil auch die Geschichte dahinter stimmte.

Den Werkzeugkasten der Kommunikation voll ausschöpfen

Solche Geschichten entfalten ihre Wirkung nicht über Nacht. Sie müssen wiederholt werden, auf unterschiedlichen Kanälen, in unterschiedlichen Formaten – von Town Halls bis Teammeetings, von Newslettern bis Workshops und Trainings. Dabei ist es essenziell, dass alle Sender – ob Geschäftsführung, mittleres Management oder Projektleitung – mit einer Stimme sprechen. Denn unterschiedliche Sender erzeugen unterschiedliche Wirkungen. Nur wenn die Botschaft konsistent bleibt, entsteht Vertrauen.

Die Realität in Unternehmen ist oft komplex: heterogene Zielgruppen, hybride Arbeitsmodelle, parallele Projekte. Das verlangt nach Kommunikation, die flexibel, aber kohärent ist, die Zielgruppen ernst nimmt und sie nicht über einen Kamm schert. Die Kommunikation ist in diesem Sinne das Mittel, das gleichzeitig differenziert und verbindet.

Gerade in großen, traditionell gewachsenen Unternehmen wie beispielsweise denjenigen der Automobil- und Fertigungsindustrie laufen Transformationen oft gleichzeitig, tiefgreifend und in vielen Bereichen ab. Bei solchen komplexen Veränderungen wird deutlich, wie wichtig ein übergeordnetes Narrativ ist. Eine konsistente Change Story, getragen von allen Führungsebenen, kann hier wie ein Leitsystem wirken: Sie verbindet Silos, überwindet Abteilungsgrenzen und schafft ein gemeinsames Verständnis für das, was sich verändert – und warum.

Bei der Durchführung flexibel bleiben

Wichtig ist auch: Change Stories sind nicht statisch. Sie entwickeln sich weiter, so wie sich auch der Wandel weiterentwickelt. Gute Kommunikation bleibt dialogisch. Sie hört zu, nimmt Impulse auf, passt sich an. Feedbackmechanismen wie Pulsbefragungen oder Dialogformate helfen, den Kurs zu halten – oder bei Bedarf zu justieren. Und sie machen Erfolge sichtbar: Denn Veränderung braucht nicht nur einen Anfang, sondern auch bewusst gesetzte Meilensteine.

All das zeigt: Kommunikation im Change-Prozess ist keine bloße Option. Sie leistet einen wichtigen Beitrag für den Erfolg. Und sie verändert nicht nur das Projekt, sondern auch die Rolle der Kommunikation selbst. Wo Kommunikatoren früher eher begleitet haben, müssen sie heute zu strategischen Partnerinnen und Partnern der Transformation werden. Denn wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht, gehören die Kommunikationsverantwortlichen mit an den Tisch.

Und das ist gut so. Denn ohne Sprache kein Verständnis. Ohne Geschichte keine Richtung. Und ohne Kommunikation kein gelungener Change.

Über die Autorin: Birgit Grassmann ist Managing Consultant bei Archetype Germany. Sie begleitet Unternehmen bei interner und externer Kommunikation – mit einem besonderen Fokus auf Technologie, Markenführung und Change-Kommunikation.

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