Autoren-Beiträge Gegen den Trend: Nachhaltigkeitskommunikation - jetzt erst recht!
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- von Kirsten Gnadl, München
Nachhaltigkeit ist auf dem absteigenden Ast. Die EU lockert die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die USA unter Donald Trump ziehen sich aus Klimaschutzprojekten zurück. Wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, sind die Botschaften oft ähnlich dystopisch. Da stellt sich – insbesondere für Unternehmen - die Frage: Was bringt die eigene ESG-Kommunikation eigentlich? Interessiert das noch oder kann das weg? Meine These: Auf keinen Fall! Vier Gründe, warum Nachhaltigkeitskommunikation für Unternehmen heute wichtiger ist denn je.

1. Nachhaltigkeitskommunikation: Gegen Fachkräftemangel und für Stabilität in Unternehmen
Das ESG in ESG-Kommunikation bzw. Nachhaltigkeitskommunikation steht für Environmental, Social and Corporate Governance – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Es umfasst also mehr als nur ökologische Aspekte. Bisher standen vor allem das Reporting aufgrund der Berichtspflichten (CSRD bzw. EU-Taxonomie) und die Verbraucherkommunikation in Form von Marken- und Imageaufbau im Vordergrund.
Der Fachkräftemangel erfordert zusätzlich gutes Employer Branding, das soziale und ökologische Vorteile des Unternehmens in den Vordergrund stellt. Der Hiring Trend Index (Q2/2024) der Stepstone Group zeigt, dass 82 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber nachhaltig wirtschaftende Unternehmen bevorzugen – sofern das Gehalt gleich ist. Hinzu kommt die Notwendigkeit, sich krisenfest aufzustellen: Insbesondere in Veränderungsprozessen, in denen sich momentan viele deutsche Unternehmen befinden, gibt die kontinuierliche interne und externe Kommunikation Sicherheit und Stabilität. Diese Kommunikation umfasst auch Bereiche der Nachhaltigkeit. Beispielsweise Informationen dazu, wie Lieferketten gesichert oder Extremwetterereignissen begegnet und Geschäftsmodelle zukunftsfähig werden.
2. Lasst mal die Optimisten vor! Good news gegen die Bewegungsstarre
Die Herausforderung für Kommunikationsabteilungen und Agenturen ist die Nachrichtenmüdigkeit vieler Menschen. Laut einer repräsentativen Studie des Reuters Instituts 2024 ist das Interesse an Nachrichten seit 2019 um 19 Prozent gesunken. Die Folge: Fatalismus, Desinteresse und Resignation.
Wieso sollten in dieser Situation ausgerechnet News zur Nachhaltigkeit auf Interesse stoßen? Mein Rat: Konzentrieren Sie sich auf die guten Botschaften! Fördern Sie positive Kommunikation! Die Sehnsucht, endlich wieder good news zu hören oder zu lesen, ist groß. Zeigen Sie Beispiele, warum Ihr Unternehmen die Welt ein Stückchen besser macht. Geben Sie Menschen wieder Mut, damit sie aus ihrer Bewegungsstarre zurück ins Handeln kommen!
3. Apple macht es vor: Wer gegen den Strom schwimmt, fällt auf
Unter dem politischen Druck der Mächtigen (US-Präsident Donald Trump) und der Reichen (Elon Musk) schrauben Konzerne wie Meta, Walmart oder Disney ihre Diversitätsziele zurück. Sollten deutsche Unternehmen es ihnen gleichzutun, um ihre Reputation zu wahren? Ich finde: Nein! Warum das sogar von Vorteil sein kann, zeigt das US-Unternehmen Apple. Es entschied sich ganz bewusst dafür, seine Diversitätsprogramme beizubehalten. Die Vielfalt im Unternehmen ist integraler Bestandteil der Firmenkultur, stellte Apple-Chef Tim Cook klar. Das Presseecho war groß: Bereits vor der finalen Entscheidung Ende Februar griffen viele Medien das Thema auf. Nach der maßgeblichen Aktionärsabstimmung berichteten fast alle Leitmedien sowie Finanz- und IT-Medien in Deutschland und zahlreiche Medien in Österreich und der Schweiz über Apples Entscheidung.
Was sagt uns das? Unternehmen, die gegen den Strom schwimmen und klare Haltung zeigen, fallen auf. Andere, die dem Druck der Republikaner in den USA nachgeben, verschwinden in der Randspalte. Die Berichterstattung für Apple war fast ausschließlich positiv. Das stärkt das Markenimage. Natürlich sind nur wenige Unternehmen so bekannt wie Apple. Aber auch kleinere Unternehmen haben gute Chancen durch die positive Kommunikation sozialer oder ökologischer Themen Aufmerksamkeit in Medien oder Social-Media-Kanälen zu finden.
4. Grüne Transformation: Eine historische Chance für die Kommunikation
Der Rückzug der USA in Sachen Klimaschutz bietet für europäische und ganz besonders für deutsche Unternehmen die einmalige Chance, sich mit ihren Innovationen in der größer werdenden Lücke der grünen Transformation zu platzieren. Das zeigen Beispiele von Start-ups wie Circuly oder Green Account. Circuly verbindet Nachhaltigkeit mit E-Commerce und bietet eine Software an, damit Unternehmen ihre Produkte auch vermieten, statt nur verkaufen zu können. Green Account arbeitet dafür, dass Naturschutz ein attraktives und nachhaltiges Geschäftsmodell für Landeigentümer wird. Für den Gründer und Co-CEO Trutz von der Trenck ist Umwelt- und Klimaschutz ein Feld, an dem sich einzelne Unternehmen sinnvoll beteiligen können:
„Hier können und müssen die Unternehmen zur treibenden Kraft werden. Alleine schon deshalb, weil unsere Staaten bei all den Aufgaben in Zukunft schlicht nicht das Geld haben werden, um hier ausreichend zu investieren. Die Nutzung von nachhaltigen Geschäftsmodellen ist daher alternativlos. Damit diese Beispiele Schule machen, ist Nachhaltigkeitskommunikation gerade jetzt so essenziell!“
Und hier schließt sich der Kreis: Persönliche Beispiele und erfolgreiche Geschichten machen den Unterschied. Egal, ob nun ökologisch, sozial und zur Unternehmensführung: Finden Sie die Good News in Ihrem Unternehmen. Ich bin mir sicher: Spätestens, wenn alle Storys zur KI erzählt sein werden, kommen wieder groß raus.
Über die Autorin: Kirsten Gnadl ist Head of Sustainability bei der Agentur consense communications und ausgebildete Nachhaltigkeitsmanagerin. Sie hat 25 Jahre Erfahrung in der Kommunikationsberatung von Tech-Unternehmen. Seit 2024 berät sie Unternehmen wie ClimatePartner und die finnische Unternehmensberatung Gofore bei der strategischen Kommunikation und engagiert sich im Arbeitskreis Nachhaltigkeit in der GPRA. In ihrer Heimatgemeine am Chiemsee setzt sie sich in der Arbeitsgruppe Klimaschutz aktiv für die Energiewende, für klimafreundliche Mobilität und den Umweltschutz ein.
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