Autoren-Beiträge Bundestagswahl 2025: Ein Lehrstück in politischer Kommunikation

Die Bundestagswahl 2025 hinterlässt gemischte Gefühle: Ein deutlicher Absturz der Kanzlerpartei, Stärkung der politischen Ränder und eine gesellschaftliche Spaltung zwischen Frust und Protest. Der Wahlkampf war geprägt von populistischen Schlagabtauschen, fehlender Aufbruchsstimmung und kommunikativen Fehltritten. PR-JOURNAL Autor Wolfgang Griepentrog legt seine Analyse vor.

Wolfgang Griepentrog: „Ein Spitzenkandidat muss mehr sein als ein Parteisoldat.“ (© privat)

1. Charisma und Kommunikationsstärke als Schlüsselqualitäten

Ein Spitzenkandidat muss mehr sein als ein Parteisoldat. Charisma und Kommunikationsstärke sind essenziell, um Menschen zu begeistern und für politische Visionen zu gewinnen. Impression Management, die gezielte Selbstinszenierung, ist die relevante PR-Disziplin hierfür. Diese komplexe Aufgabe wurde von den Kandidaten nicht gemeistert, was deren geringe Beliebtheit erklärt.

2. Brandmauer-Strategie als kommunikatives Eigentor

Die ständige Erwähnung der Brandmauer gegen die AfD erwies sich als kontraproduktiv. Durch die mediale Fokussierung wuchs die Partei weiter, angetrieben von Protestwählern, die aus Frust gegen das „Establishment“ stimmten. Reaktanz nennt sich dieses simple psychologische Prinzip, das die politische Warnung vor Extremen zum Eigentor macht. Effektivere Kommunikation hätte stattdessen auf (dringend ersehnte) Problemlösungen gesetzt, anstatt den politischen Gegner zu verteufeln.

Aus diesem Grund lief auch die Brandmauer-Kampagne mit zornigen Angriffen von Bundeskanzler Olaf Scholz gegen den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz ins Leere. Er hatte im Kontext der Migrationsdebatte in einer parlamentarischen Abstimmung die Unterstützung der AfD (nicht eine Zusammenarbeit) in Kauf genommen. Auch wenn Merz damit aufgrund einer veränderten Sachlage ein früheres Versprechen gebrochen hatte, haben die Wähler die Empörung des Kanzlers als Wahlkampftaktik erlebt. Jedenfalls konnte die SPD davon nicht profitieren.

3. Fehlende Change-Kommunikation

Politische Führung erfordert in Zeiten des Wandels klare und glaubwürdige Kommunikation. Scholz versäumte es über Jahre, eine Zukunftsvision zu vermitteln, und stellte die wirtschaftliche Lage schöngefärbt dar, während die Bevölkerung Unsicherheit verspürt, täglich einen dysfunktionalen Staat erlebt und dramatische Zahlen des wirtschaftlichen Abstiegs Deutschlands hört. Diese Diskrepanz machte ihn als Vertrauensanker angreifbar und als Gallionsfigur für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt unglaubwürdig.

4. Digitale Vernetzung als Reichweitenfaktor

Politische Kommunikation findet zunehmend online statt, doch die etablierten Parteien nutzen digitale Plattformen zu wenig. Der Erfolg der AfD und der Linken zeigt, dass Social Media effektiver als klassische Wahlkampfveranstaltungen sein kann. Beispiele wie die Linken-Politikerin Heide Reichinnek verdeutlichen das enorme Mobilisierungspotenzial digitaler Strategien. (Siehe dazu auch den Beitrag „Bundestagswahlkampf 2025: TikTok als Turbo und die Schlagkraft der Medien“ an anderer Stelle im PR-JOURNAL.)

5. Fehler verzeiht die politische Kommunikation nicht

Unbedachte Aussagen können zu langfristigen Belastungen werden. Beispiele wie Saskia Eskens Äußerung nach dem Attentat in Solingen („man könne aus solchen Vorfällen nichts lernen“) oder Armin Laschets Lachen während der Hochwasserkatastrophe zeigen, dass Fehltritte in der öffentlichen Wahrnehmung hängenbleiben und sich negativ auf das Image der Partei, des Kandidaten und dann auch auf den Wahlerfolg auswirken.

Fazit

Deutschland hat einen neuen Bundeskanzler, aber eine inspirierende und mobilisierende Wahlkampfkommunikation blieb aus. Und damit auch die notwendige Aufbruchstimmung im Lande. Künftige Wahlen werden zeigen, ob etablierte Parteien ihre Kommunikationsstrategien anpassen können – mit einer stärkeren digitalen Präsenz, einer glaubwürdigen Change-Kommunikation und charismatischeren Kandidaten. Viel Zeit ist nicht. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Wir sollten es den rechtsextremen Populisten, die ohne Plan und Sachverstand nur Angst und Frust der Menschen multiplizieren, nicht zu leicht machen.

Über den Autor: Wolfgang Griepentrog ist Interim Manager und Kommunikationsberater. Er unterstützt Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Kommunikations- und Marketingprozesse und bei der Positionierung mit einem differenzierten Markenprofil. In Krisen sowie im Change Management hilft er, unternehmenspolitische Handlungsspielräume zu sichern. Seit vielen Jahren unterhält er zudem seinen Blog „Glaubwürdig kommunizieren“. Hier gibt es Beobachtungen, Analysen, Anregungen rund um wirkungsvolle Kommunikation.

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