Autoren-Beiträge Fact or Fiction? Brand Safety in der Post-Truth-Ära auf Meta sichern
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- von Benjamin Majeron, München
„I believe that people should decide what’s credible – not tech companies.” So stiehlt sich Mark Zuckerberg aus der Verantwortung. Mit der Einstellung der Faktenchecks erst auf X, nun auf den Meta-Plattformen beginnt auf Social Media die Post-Truth-Ära. Was offiziell im Namen der Meinungsfreiheit passiert, ist von politischen und wirtschaftlichen Interessen geprägt. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass sie in einem zunehmend unübersichtlichen Umfeld agieren und ihre Kommunikationsstrategie entsprechend anpassen müssen. Der Schlüssel? Proaktivität und – wie so oft – eine authentische Haltung.

Machtspiele der Plattformen
Um die Gründe für Zuckerbergs Entscheidung zu verstehen, hilft ein kurzer Blick in die Vergangenheit. 2021 verbannt Meta Donald Trump nach dem Kapitolsturm für zwei Jahre von seinen Plattformen – eine Provokation. Der entthronte Trump verklagt Meta. Im März 2024 erklärte er Facebook dann zum „enemy of the people“ – mit spürbaren Folgen. Der Meta-Aktienkurs bricht um vier Prozent ein, was einem Milliardenverlust für das Unternehmen entsprach. Die Botschaft war klar: Wer sich mit Trump anlegt, muss mit wirtschaftlicher Vergeltung rechnen.
Rein zufällig wurde der Rechtsstreit pünktlich zum Amtsantritt im Januar 2025 beigelegt – nach einer Zahlung von 25 Millionen Dollar von Zuckerberg an Trump. Ein Großteil des Geldes fließt übrigens in eine neue Präsidentenbibliothek. Kniefall und Bußgang sind vollzogen. Wenn das nicht nach dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft klingt.
Wir spulen vor in die Gegenwart. Meta zieht die Konsequenzen und verabschiedet sich in den USA von der Third-Party-Faktenprüfung – und überlässt die Wahrheitskontrolle einer anonymen Masse, die sich auch schon vorher als anfällig für Manipulation erwiesen hat. Klingt paradox? Ist es auch. Statt klarer Standards gibt es nun also Community Notes, ein System mit Schwächen.
Unternehmen geraten in unsicheres Fahrwasser und laufen Gefahr, mit ihren Botschaften in toxischen Milieus aufzutauchen – ganz zu schweigen von gezielten Desinformations-Kampagnen. Dann stellt sich für Unternehmen nicht mehr die Frage, ob sie reagieren müssen, sondern wie schnell sie Schaden begrenzen können.
Lernen von X – ein Blick in die Abwärtsspirale
Was passiert, wenn eine Plattform Faktenchecks abschafft, lässt sich an X beobachten. Seit Elon Musk die Moderation weitgehend eingestellt hat, florieren Verschwörungstheorien und gezielte Desinformation. Community Notes, das neue Wundermittel der „Schwarmintelligenz“, scheitert an der Realität: Nutzergruppen manipulieren Bewertungen, Falschinformationen bleiben oft unkommentiert stehen oder werden zu spät korrigiert.
Die Konsequenz? Ein massiver Werbekundenschwund. Unternehmen wie Apple, IBM, Disney, Amazon, Microsoft, Coca Cola oder Airbnb haben sich längst von X verabschiedet. Nach der Übernahme durch Musk brachen die Werbeeinnahmen von X um knapp 50 Prozent ein – von 4,5 auf 2,2 Milliarden Dollar.
Unternehmen als neue Wächter?
Glaubwürdigkeit entsteht nicht von allein – sie muss aktiv gesichert werden. Dazu sind proaktive Maßnahmen essenziell. Wer sich auf Algorithmen verlässt, verliert die Kontrolle.
- Prävention
Die beste Strategie gegen Desinformation ist, Risiken gar nicht erst entstehen zu lassen. Unternehmen empfehle ich, klare Ausschlusskriterien für problematische Umfelder zu definieren und ihre Brand-Safety-Guidelines regelmäßig anzupassen. Reine Keyword-Blockaden greifen oft zu kurz – es braucht kontextuelles Targeting und regelmäßige Aktualisierungen der Platzierungsrichtlinien – vor allem im Bereich Programmatic.
Auch eigene Inhalte sollten einer internen Faktenprüfung unterliegen, bevor sie veröffentlicht werden – sei es durch eigene Teams oder externe Fact-Checking-Partner. KI-gestützte Tools können dabei helfen, riskante Platzierungen frühzeitig zu identifizieren. - Krisenmanagement
Trotz aller Vorsicht können Unternehmen ins Visier von Fake News geraten. Entscheidend ist dann eine sofortige Reaktion. Auch hier können Social Listening-Tools helfen, kritische Inhalte rechtzeitig zu erkennen.
Doch erkennen allein reicht nicht. Wir entwickeln mit Unternehmen gezielte Rapid-Response-Pläne, die festlegen, wer reagiert, über welche Kanäle kommuniziert wird und wie die Tonalität aussieht. Es geht nicht nur darum, Falschinformationen zu widerlegen – Unternehmen sollten aktiv eigene Narrative setzen, etwa durch faktenbasierte Statements, White Paper und Studien – sehr viel wirksamer als reine Dementis. - Langfristige Positionierung
Brand Safety ist kein einmaliges Projekt, sondern eine dauerhafte Strategie. Wer als vertrauenswürdige Marke bestehen will, muss Transparenz in der Kommunikation zur Priorität machen. Das bedeutet: Quellen klar benennen, Daten nachvollziehbar präsentieren und so aktiv Desinformation entgegenwirken. Wichtiger noch: Mitarbeitende und Kommunikations-Teams sollten in Medientrainings lernen, Fake News zuerkennen und angemessen zu reagieren.
Wahrheit ist kein nettes Extra – sie ist ein wirtschaftlicher Faktor. Marken, die sich nicht aktiv für Brand Safety einsetzen, riskieren Vertrauensverlust. Sie müssen sich fragen: Bleiben sie Zuschauer – oder werden sie zu glaubwürdigen Akteuren in der Post-Truth-Ära? Die Wahl liegt bei den Unternehmen.
Über den Autor: Benjamin Majeron ist Head of Digital bei Serviceplan PR & Content in München und verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Beratung von Unternehmen verschiedenster Größen und Branchen. Mit den Schwerpunkten Kommunikationsstrategie, Krisenkommunikation und Content Creation unterstützt er Unternehmen, ihren digitalen Auftritt zu optimieren. Als Host des Serviceplan Group-Podcasts "TWELVE CAST" demonstriert er zudem sein Engagement für innovative Kommunikationsformate.
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