Autoren-Beiträge US-Wahl II: Warum Trump gewann
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- von Adrian Rosenthal, Berlin
Die US-Wahl ist entschieden. Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wie konnte das passieren, fragen sich viele Europäer. Antworten – vor allem aus kommunikativer Sicht – gibt den PR-JOURNAL-Leserinnen und Lesern Adrian Rosenthal. Er ist Head of Digital bei der MSL Group Germany und langjähriger Wahlbeobachter in den USA. Zum US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 gründete er das US-Wahlblog „Amerika Wählt“, das seit 2024 eine neue Heimat auf LinkedIn hat.
Von Adrian Rosenthal, Berlin
Endlich ist dieser Wahlkampf vorbei, der hierzulande viele Leute entweder gefesselt oder auch gehörig genervt hat. Mit einem Ergebnis, über das die Mehrheit in Deutschland nicht glücklich sein wird. Denn: Donald Trump hat die Wahl mehr als deutlich gewonnen. Amerika wollte den Wechsel und keine Weiterführung der Biden-Harris-Regierung. Dieser Wechsel-Wunsch hat wohl alles überschattet. Zeit also für ein paar Beobachtungen und Einordnungen zum Wahlkampf – mit Fokus auf die kommunikativen Aspekte und das Campaigning von Harris und Trump.
1. Bill Clinton hatte Recht!
Was bei Bill Clinton das „It’s the economy, stupid!“ war, wurde bei Donald Trump zur Frage: „Geht es euch jetzt besser als in den vier Jahren meiner Präsidentschaft?“ Über die einfache Sprache und die ständigen Wiederholungen von Donald Trump wird sich ja oft lustig gemacht, aber seine – einfachen – Botschaften verfangen. Vor allem dann, wenn sie mit dem Punkt verknüpft werden, der die Amerikaner mit am meisten beschäftigt: der (eigenen) wirtschaftlichen Lage. Der Vorteil: Einfache Botschaften brauchen praktischerweise nicht einmal Antworten (und damit Fakten und Daten) auf komplexe Fragen. Denn entscheidend ist eben die Entkomplexisierung der Botschaft. Und eine konsistente Nutzung, die emotionalisiert. Und das hat Trump geschafft.
2. Celebrity Endorsements und Influencer haben nichts gebracht?
Celebrity und Influencer Endorsements haben Kamala Harris nicht geholfen. Joe Rogan hat Trump entscheidende Stimmen gebracht! Nein, doch, Oooh! Ja, was denn nun? Beyoncé, Taylor Swift, Billie Eilish, LeBron James, Bruce Springsteen – die Liste der Endorsements für Kamala Harris lässt sich beliebig lang fortsetzen. Wohl noch nie haben sich so viele Stars positioniert. Aber: In der Gen Z, auf die diese Leute (Influencer hier mitverstanden) mutmaßlich einen großen Einfluss haben, hat Harris gegenüber Biden im Jahr 2020 deutlich Stimmen verloren. „I want to thank the Nelk Boys, Adin Ross, Theo Von, Bussin' With The Boys, and last but not least, the mighty and powerful Joe Rogan!“ Mit diesen Worten betrat UFC -Präsident Dana White am Mittwoch bei der Siegesfeier von Trump direkt nach diesem die Bühne. Was haben diese Männer gemeinsam? Sie sind allesamt im weitesten Sinne auch Influencer – und hierzulande (mit der Ausnahme von vielleicht Joe Rogan) eher unbekannt, in den USA aber Stars mit Reichweiten in Millionenhöhe. Auch Elon Musk muss in die Riege der Trump-Celebrities gezählt werden. Laut einer Studie haben seine politischen Postings, die er seit seiner offiziellen Unterstützung Trumps abgesetzt hat, mehr als 17 Milliarden Views bekommen, Dazu kommen Football-Spieler, Wrestler, Crypto-Influencer, Mega-Influencer wie die Paul-Brüder, etc. Der Punkt ist: Nur weil Harris die Wahl trotz der Unterstützung vieler Stars verloren hat, heißt das nicht, dass Celebrity-Endorsements keinen Effekt haben. Denn diese Influencer aus der Manosphere werden eine Rolle gespielt haben, dass junge Männer sich vor allem (bei einem riesigen Gender Gap) für Trump entschieden haben. Und wer weiß: Vielleicht wäre das Ergebnis für Harris ohne den Support der Swifties noch schlimmer ausgefallen.
3. Geld gewinnt keine Wahlen (ohne Geld geht es aber auch nicht)
Die Demokraten um Harris hatten deutlich mehr Geld zur Verfügung als das Team Trump (inklusive der jeweiligen assoziierten Gruppen wie zum Beispiel die von Elon Musk finanzierte Organisation „America PAC“). Sie haben damit in den Swing States alle möglichen Kanäle massiv mit politischer Werbung geflutet. Auch in den sozialen Netzwerken lagen die Demokraten beim Geldausgeben weit vorne. Die Wahl 2024 wird mit ihren Milliarden-Ausgaben die teuerste Wahl aller Zeiten werden – mit dem Resultat, dass Harris deutlich weniger Stimmen als Trump (und auch Biden 2020) haben wird. Trump hat auf seine eigenen Kanäle gesetzt, auf die massive Reichweite von Unterstützern wie Musk – und damit darauf, seine Wählerschaft auch direkt über soziale Medien oder (kostenlose) Berichterstattung zu mobilisieren.
4. X ist nicht tot – sondern ziemlich lebendig
Zumindest in den USA. Hierzulande ist es ja deutlich stiller um X geworden. Und Ja, auch in den USA haben sich viele Marken zurückgezogen, die Werbeeinnahmen sind eingebrochen, auch die Anzahl der Userinnen und User war zuletzt gesunken. Aber im Wahlkampf hat X in den USA weiterhin eine wichtige Rolle gespielt, dank zum Teil immens hoher Reichweiten, gerade für die MAGA-Bewegung (der Musk nun auch mehr als nahesteht und der er via X massiv Aufmerksamkeit geschenkt hat). Nur zwei Beispiele: Das Endorsement von Arnold Schwarzenegger für Harris hat fast 34 Millionen Views erreicht, das Endorsement von Joe Rogan für Trump sogar 48 Millionen. Hier lässt sich auch perfekt die Kernzielgruppe erreichen: Fast 70 Prozent der User sind Männer.
5. Klassische Medien werden umgangen – für alternative Medien wie Podcasts
Der eine (Trump) ist bei Joe Rogan die andere bei Call her Daddy. Beides sind Podcasts mit Millionen Zuhörerinnen und Zuhörern und riesiger Social-Media-Reichweite. Wo Trump nicht war? Bei 60 Minutes des TV-Senders ABC, was vor ihm kein Präsidentschaftskandidat abgelehnt hätte. Und auch Harris hat sich eher rar gemacht – und auf andere, alternative Medienformate wie Podcasts gesetzt. Der Vorteil: wenig kritische Nachfragen und die Möglichkeit, über mehrere Stunden seine Botschaften absetzen zu können. Die Podcast-Charts werden übrigens von Trump-freundlichen Podcastern dominiert: Joe Rogan (der gute Mann hat nicht umsonst einen 250-Millionen-Dollar-Vertrag mit Spotify) ist auf Nummer 1, gefolgt von Tucker Carlson und Shawn Ryan (bei dem Trump auch im Podcast war; auf #3) und Charlie Kirk auf #5, der seit Jahren Teil der MAGA-Bewegung ist.
6. Wie hat TikTok denn nun die Wahl beeinflusst?
Nachdem Harris Joe Biden an der Spitze der Demokraten abgelöst hatte und direkt auf TikTok aktiv wurde, überschlugen sich Medien und Meinungsmacher mit Beiträgen, wie großartig sie und ihr Team das machen würden und wie effektiv sie die Gen Z erreichen würden. Das Problem: Trump war effektiver. Ja, Harris hatte insgesamt mehr Likes (was vor allem daran liegt, dass sie mehr Videos teilte). Aber Trump hatte bei der Anzahl der Video-Views mehr als deutlich die Nase vorn – und auch bei härteren KPIs wie Shares lag er klar vor Harris. Dazu kommt das gesamte politische Vorfeld, dass – dem Algorithmus sei Dank – massive Reichweiten einfahren konnte. Hat TikTok die Wahl massiv beeinflusst? Nein. Aber die Plattform ist ein sehr wichtiger Kanal im Kommunikationsmix geworden.
7. Memes und Snackable Content
Bleiben wir bei Twitter/X und den Shares: Trump hat doch recht meisterhaft Content kreiert, den Nutzerinnen und Nutzer massenhaft teilen. Allein das Video seines Gastauftritts bei McDonald's wurde bei TikTok deutlich mehr als eine halbe Million Mal geteilt. Und lief als Meme auf X und anderen Plattformen rauf und runter. Der Content von Trump ist oftmals darauf ausgelegt, dass Leute ihn teilen (wollen): er soll kurzweilig sein und unterhalten (jedenfalls seine Basis), ist weitgehend Fakten-frei, verbreitet unterschwellig aber die einfachen Botschaften von Trump weiter. Und diese bewusst visuell-einprägsamen Memes generierten massiv und kontinuierlich Reichweite.
Über den Autor: Adrian Rosenthal ist Head of Digital bei der MSL Group Germany – mit einem Fokus auf Social Strategy und Influencer Marketing. Zum US-Präsidentschaftswahlkampf 2008 gründete er das US-Wahlblog „Amerika Wählt", das seit 2024 eine neue Heimat auf LinkedIn hat.
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