Autoren-Beiträge Kontakt nicht erwünscht? Wir müssen reden!

Für Sprecherinnen und Sprecher sowie Agenturen ist es bekanntlich völlig normal, viel Geld für Journalistendatenbanken auszugeben, um die oft verborgenen Telefonnummern der Ansprechpartner auf Redaktionsseite herauszufinden. Die Redakteurinnen und Redakteure umgekehrt haben es vermeintlich viel leichter: Ein Blick auf die Website der gewünschten Firma, Klick auf „Presse“, und schon werden Telefonnummern, persönliche E-Mail-Adressen und Fotos der Sprecherinnen und Sprecher angezeigt.

Jörg Müller-Dünow beschreibt eine ungute Entwicklung im Verhältnis zwischen Journalisten und PR-Schaffenden. (Foto: markenzeichen)

Soweit die Theorie. Vermutlich glaubt die Mehrheit der PR-Schaffenden sogar an diesen Idealzustand. Die Realität, so hat eine Befragung unserer Agentur markenzeichen unter Journalisten eher zufällig ergeben, sieht ganz anders aus.

„Ich habe bei manchen Presseabteilungen den Eindruck, man tut alles dafür, auf keinen Fall gefunden zu werden“, beobachtet etwa Hans Onkelbach, Redaktionsleiter des Düsseldorfer Online-Portals „VierNull Media“ und langjähriger Lokalchef der „Rheinischen Post“ Düsseldorf. Die Einzelmeinung wird gestützt von der aktuellen Cision „State of the Media“ Umfrage: „Unzuverlässigkeit und schlechte Erreichbarkeit von PR-Verantwortlichen“ steht als eine der größten Herausforderungen der letzten zwölf Monate ganz oben auf der Mängelliste, die die Presseleute den Sprechern ausstellen.

Kein Anschluss unter dieser Nummer

In einer eigenen stichprobenartigen Erhebung war es etwa bei weltweit tätigen Unternehmen nicht möglich, auf Anhieb einen Ansprechpartner der Pressestelle ausfindig zu machen. Geschweige denn, diesen gar direkt zu kontaktieren. Mal wurde an eine PR-Agentur verwiesen. Häufig war online gar kein Kontakt zu finden. In einem anderen Fall war eine Telefonnummer zwar angegeben. Aber beim Versuch, dann wirklich zur Pressestelle durchzudringen, mussten erst unzählige Fragen beantwortet werden, um abschließend doch um eine E-Mail gebeten zu werden. Ein Global Player wiederum verweist an seine PR-Agentur auf der grünen Wiese, deren eigene Website dauerhaft nicht erreichbar ist... Noch rätselhafter: Ein DAX-Konzern ist über eine Presse-Hotline erreichbar. Dort trägt der Journalist sein Anliegen vor, wird vertröstet, und bei Interesse an einem Dialog erfolgt dann beizeiten – hoffentlich – ein Rückruf.

Die Redakteurin eines großen Wirtschaftsmagazins kommentiert: „Ich beobachte diese Verschlechterung seit etwa 15 Jahren.“ Alternative Dialogangebote wie Kontaktformulare auf der Website sieht diese Kollegin nicht als zielführende Alternative: „Da kann ich auch gleich in ein schwarzes Loch schreiben.“

Zunehmende Abschottung

Über die Gründe für diese zunehmende Abschottung der Pressestellen gegenüber ihren wichtigsten „Kunden“ können die Redakteure nur spekulieren. Eine Vermutung: Der Drang, sich intern abzusichern, sei größer als das Interesse, im Sinne der eigenen Kernaufgabe den Dialog zu Journalisten zu pflegen und Kommunikation fürs Unternehmen zu betreiben. Die Reaktionen der Sprecher – egal ob am Telefon oder schriftlich – seien nicht mehr zufriedenstellend. Es entsteht der Eindruck, auf Journalisten werde keinen Wert mehr gelegt.

Am meisten leidet unter dieser Distanzierung vermutlich das gegenseitige Vertrauensverhältnis. „Dann sagen wir lieber gar nichts“ trifft auf „die kommen nur noch mit werblichen Botschaften auf unser Medium zu“. Rituale wie das gute alte Hintergrundgespräch oder die vertrauliche Einordnung von Zusammenhängen „unter Drei“ gebe es schon lange nicht mehr, reklamiert ein Düsseldorfer Wirtschaftsjournalist.

Verhältnis driftet in die falsche Richtung

Selbstverständlich betrifft diese Entwicklung lange nicht alle PR-Abteilungen. Doch so oder so ist sie langfristig weder für die Pressestellen noch für die Presse gut. An den Hochschulen wird gelehrt, dass beide ein symbiotisches Verhältnis – sicher nicht ohne Spannungen – zum beiderseitigen Nutzen eingehen. Nicht umsonst steht das R in PR für „Relations“ (= Beziehungen).

Doch während angesichts der gefühlten Übermacht von Digitalisierung und KI allenthalben die Sehnsucht nach zwischenmenschlichem Austausch und einer „neuen Nähe“ aufblüht, scheint ausgerechnet das Verhältnis zwischen diesen Parteien, die sich nun wirklich gegenseitig brauchen, in die falsche Richtung zu driften.

Immerhin ein Hoffnungsschimmer, wenn auch an ganz anderer Stelle: Ein Technik-Redakteur sieht eine Professionalisierung der PR-Agenturen, die zumindest seiner Erfahrung nach heutzutage öfter als noch vor einigen Jahren die eingeschränkte Erreichbarkeit ihrer Auftraggeber kompensierten.

Über den Autor: Jörg Müller-Dünow ist Managing Partner der Düsseldorfer Agentur markenzeichen GmbH und Vorstandsmitglied des GWA. Zwischen 2003 und 2009 war er als Pressesprecher und PR-Chef für Unternehmen wie E-Plus oder debitel tätig und blickt darüber hinaus auf eine langjährige Agenturlaufbahn zurück.

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