Ellen Dietzsch schrieb ihre Dissertation zum Thema „Compliance als Treiber von Reputation“. (Foto: S&F)

Sich an geltende Gesetze und Vorschriften zu halten, ist für jedes Unternehmen existenziell. Um dies sicherzustellen, setzen viele Unternehmen auf Compliance-Management-Systeme. Doch Compliance soll nicht nur Schäden abwenden, sondern auch dazu beitragen, den guten Ruf in der Öffentlichkeit zu stärken. Aber trifft diese Annahme wirklich zu? Mit dieser Frage beschäftigt sich Ellen Dietzsch, Mitglied der Geschäftsleitung von Scholz & Friends Agenda, Berlin, in ihrer Dissertation. Sie untersuchte, ob es für Unternehmen sinnvoll ist, aktiv über ihre Compliance-Maßnahmen zu kommunizieren, um ihre Reputation in den Medien zu verbessern.

Von Ellen Dietzsch, Berlin

Compliance gilt als wichtiger Aspekt für Unternehmen, um Schäden abzuwenden und einen guten Ruf zu erlangen – so die allgemeine Annahme. Meine Untersuchung zeigt jedoch, dass die Realität anders aussieht: Im Normalfall fördert die Kommunikation über Compliance-Themen die mediale Reputation nicht. Denn die untersuchten Unternehmen informierten über ihre Compliance-Aktivitäten ganz anders als überregionale Tageszeitung. Die Journalistinnen und Journalisten berichteten fast ausschließlich über Compliance-Verstöße, wie den Dieselskandal oder Kartellverstöße. Über präventive Maßnahmen der Unternehmen informierten sie dagegen kaum. Dies führte zu einer überwiegend negativen Compliance-Reputation der untersuchten Unternehmen in den Medien. Das verwundert nicht, denn für Medien ist nicht interessant, was gut und richtig läuft, sondern was nicht der Norm und dem Erwartbaren entspricht. Die Einhaltung von Gesetz und Recht hat keinen Nachrichtenwert, der Compliance-Verstoß dagegen schon.

Krisen können als Chancen genutzt werden

Compliance-Kommunikation scheint Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung wenig zu helfen. In der Presse wird nur selten über Compliance-Maßnahmen berichtet. Anders, wenn es eine Krise gibt, wie einen Gesetzesverstoß, eine Durchsuchung oder eine Klage. In diesem Fall konnten die Unternehmen Botschaften zu ihrem Compliance-Aktivitäten in begrenztem Umfang in den Medien platzieren. Damit verhinderten sie, dass die Presse ausschließlich das Fehlverhalten thematisierte, ohne auch auf die Compliance-Vorkehrungen der Unternehmen einzugehen. Die Kommunikation von Compliance-Maßnahmen dient also weniger dazu, den Ruf zu verbessern, sondern vielmehr dazu, in Krisensituationen die Reputation zu schützen.

Die richtige Strategie entscheidet

Eine klare Compliance-Kommunikation erfordert eine gut durchdachte Strategie, die Deutungsmuster, so genannte Frames, und konkrete Fakten zu Compliance vermittelt. Die Studie zeigt jedoch, dass Unternehmen dies oft nicht berücksichtigen. Es mangelte an konkreten Informationen und an Professionalität. Die Unternehmen kommunizierten über Compliance nur unregelmäßig und auch wenig transparent. So informierten die Unternehmen über Compliance vorwiegend im Rahmen von Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichten, also in Formaten, die sich vorwiegend an Experten, aber nicht an die breite Öffentlichkeit oder Journalistinnen und Journalisten richten. Hinzu kommt, dass die Unternehmen das Thema selten prominent darstellten und nur vereinzelt als eigenständiges Thema in ihrer Kommunikation behandelten. Das kann problematisch werden, wenn es zu einer Compliance-Krise kommt. Denn die mediale Berichterstattung hängt nicht nur davon ab, wie Unternehmen in der konkreten Krise kommunizieren, sondern kann auch von der Kommunikation im Vorfeld beeinflusst werden. Daher ist eine kluge Kommunikationsstrategie zuCompliance von entscheidender Bedeutung für die Reputation des Unternehmens.

Wie sollte Compliance-Kommunikation in Krisenzeiten aussehen?

Die Studie zeigt, dass vor allem präventive Maßnahmen und Informationen zu Fakten erfolgsversprechend sind. Medien griffen während Compliance-Krisen auch Botschaften zu präventiven Vorkehrungen der Unternehmen auf. Konkrete Informationen zur Compliance-Organisation, wie beispielsweise Mitarbeiteranzahl und Verantwortlichkeiten, sowie zu Compliance-Maßnahmen wie Hinweisgebersystemen, Risikoanalysen und Schulungsangeboten, sind dabei am erfolgreichsten. Ähnlich verhält es sich mit den Deutungsmustern, die die Zeitungen vermittelten. In Krisenzeiten übernahmen die Zeitungen mehr präventive Deutungsmuster der Unternehmen als in normalen Zeiten. Daher empfiehlt es sich, Deutungsmuster für die Compliance-Kommunikation zu definieren. Geeignete Deutungsmuster könnten beispielsweise den Fokus auf die Verankerung von Compliance in der Belegschaft richten, um Trainings, Informations- und Beratungsangebote hervorzuheben.

Die Studie zeigte auch, dass es in Zeiten von Krisen keine gute Kommunikationsstrategie ist, auf Medienanfragen mit „kein Kommentar“ zu antworten. Stattdessen sollten Unternehmen gezielt auf ihre Compliance-Vorkehrungen hinweisen und damit belegen, dass sie proaktiv handeln. Ein Unternehmen der Studie verfolgte diese Strategie und betonte seine Compliance-Aktivitäten. Damit schnitt es in der Berichterstattung besser ab als andere Hersteller, die überwiegend mit „kein Kommentar" antworteten. Demnach konnte das Unternehmen den negativen Nachrichten, die aus der akuten Compliance-Krise resultierten, Fakten zu Präventionsmaßnahmen entgegensetzen und überließ die kommunikative Deutungsmacht nicht anderen Akteuren. Das Unternehmen hat somit zwar keine positive mediale Reputation aufgebaut, aber zumindest den Reputationsschaden, der drohte, abmildern können.

Compliance als Treiber von Reputation Buchcover Ellen DietzschÜber die Autorin: Dr. Ellen Dietzsch leitet den Standort von Scholz & Friends in Stuttgart. Sie berät Kunden aus verschiedenen Branchen zu Nachhaltigkeits- und Transformationskommunikation. Zuvor verantwortete Ellen Dietzsch verschiedene Bereiche der Unternehmenskommunikation und im Marketing eines Großkonzerns. Sie hat nebenberuflich zum Thema Compliance und Reputation promoviert. 2022 erschien ihre Dissertation als Buch mit dem Titel „Compliance als Treiber von Reputation“.


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