Autoren-Beiträge Autorenbeitrag: Studie zu Führung aus der Ferne – Geführte wollen mitgestalten

Die in den letzten Jahren verstärkte Digitalisierung der internen Kommunikation macht auch vor der Führung nicht halt: War vor der Pandemie noch Führung in Präsenz die Norm, wurden während der Arbeit aus dem Homeoffice Führungsbeziehungen durch digitale Führungskommunikation aufrechterhalten. Grund genug also, sich bei steigendem Interesse in der Praxis an kommunikativer Führung und digitalen Führungsmodellen anhand empirischer Daten mit dem Status Quo zu befassen. Im folgenden Artikel werden erste Erkenntnisse von Führenden und Geführten mit digitaler Führungskommunikation präsentiert.

Adrian Fonger hat in seiner Studie festgestellt, dass Geführte aus dem Homeoffice heraus zunehmend Einfluss nehmen auf die Führungskultur. (© Ewald & Rössing)

Der abrupte pandemiebedingte Umzug von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus PR- und Kommunikationsagenturen ins Homeoffice setzte eine bisher undenkbare Veränderungsbereitschaft frei: Wo früher noch mehrheitlich in Präsenz im Büro gearbeitet und geführt wurde, mussten Führungspersonen und Geführte innerhalb kürzester Zeit ihre Führungsbeziehung digital vermittelt aufrechterhalten und lernen, auf diesem Weg erfolgreich miteinander zu kommunizieren. Doch wie sehen die Erfahrungen und Erwartungen mit einer maßgeblich durch Kommunikation geprägten Führung aus? Und was gilt es zu beachten, damit eine Führung aus der Ferne gelingen kann?

Erste Erkenntnisse und Implikationen für die Praxis bündelt eine aktuelle Studie zur Führungskommunikation von Führungsdyaden in deutschen PR- und Kommunikationsagenturen, die ich im Rahmen meiner Masterarbeit an der Universität Leipzig durchgeführt habe. Unter Führungsdyade versteht man dabei einen Interaktionsprozess, der sich zwischen dem Führenden und einem jeden der Geführten in unterschiedlicher Weise abspielt. Die zentralen Ergebnisse der insgesamt 16 Einzelinterviews fasse ich in diesem Beitrag für die Leserinnen und Leser des „PR-Journals“ zusammen.

Führungskommunikation im Homeoffice: Nicht in Person, aber nicht weniger persönlich

Mit dem Wechsel ins Homeoffice verbinden die befragten Führungspersonen eine abrupte Veränderung der Führungskommunikation mit Geführten: Statt der persönlichen Vermittlung im Agenturbüro wurde die Führungsbeziehung digital aufrechterhalten – dabei überwiegen laut Führenden in der Nutzung Kommunikationstools wie Microsoft Teams gegenüber Konkurrenten deutlich. Für einen Verdrängungseffekt spricht hier, dass Teams Funktionen anderer Tools (z. B. Anrufe, Chats, Kollaboration) integriert und bündelt. Dabei kommt die wahrgenommene Präferenz von Teams als primäres digitales Kommunikationstool der Führungskommunikation nicht unerwartet, wenn man die weitläufige Popularität von Videokonferenz-Formaten in der Kommunikation mit Mitarbeitern berücksichtigt.

Als große Herausforderung der Führungskommunikation nehmen Führende neben der wegfallenden persönlichen Führung in der Agentur insbesondere den Umgang mit einer wachsenden psychischen Unsicherheit von geführten Personen wahr. Führende bemerken während der Führung aus der Ferne, dass für sie der Umgang mit Sorgen von Geführten in der Dyade ein besonderes Feingefühl erfordert und zusätzlicher Unterstützung bedarf. Dazu wurden externe Beratungsformate angeboten, mit denen erfolgreich auf die Bedürfnisse von Geführten (z. B. Kinderbetreuung, psychologische Unterstützung) eingegangen werden konnte.

Geführte schätzen Erreichbarkeit und Aufmerksamkeit für Auslastung

Diese Anpassung der Führungskommunikation mit Fokus auf das psychische Wohlbefinden geführter Personen ist nur eine von mehreren Indikatoren, die auf eine größere Einflussnahme durch Geführte schließen lässt. Sie fordern aus dem Homeoffice durch ihre Führungskommunikation ein größeres Mitspracherecht in der dyadischen Führungsbeziehung ein – es entsteht eine Führungskultur, in der Geführte aktive Mitgestalter einer zunehmend digitalen Führung werden.

Betrachtet man die Erwartungen und Erfahrungen von Geführten an diese gemeinsam ausgehandelte Führungskultur, finden sich einige Kontaktpunkte oder Überschneidungen zu den Wahrnehmungen der Führenden wieder. Mit Blick auf die mentale Gesundheit der Geführten wird besonders positiv wahrgenommen, dass Führende die Auslastung im Blick haben und auf Überlastung proaktiv reagieren. Unterstützungsformate zum Beispiel zum Umgang mit belastenden Situationen im Homeoffice werden im Rahmen von Führungskommunikation angeboten beziehungsweise durch Geführte mitentwickelt.

Ferner sind neben einem Wegfall informeller Führungskommunikation eine stärkere Planung von Kommunikationsanlässen durch Geführte spürbar. Spontane Gespräche in der Kaffeeküche fielen aus, Weihnachtsfeiern fanden hingegen digital statt – ein Indiz für eine zentrale Rolle der verwendeten digitalen Kommunikationstools für geplante Führungskommunikation. Interessant ist dabei die Erfahrung der Geführten, dass eine Annährung an die informelle Führungskommunikation mit digitalen Tools zwar versucht, aber nicht als gleichwertig wahrgenommen wurde. Wie sich diese Wahrnehmung mit der gleichzeitig fortschreitenden Entwicklung von Kommunikationstools in ihren Funktionen und Formaten verändert, bleibt abzuwarten. Dennoch lässt sich auf Basis der Aussagen von Führenden und Geführten ein Blick in die Zukunft der Führungskommunikation werfen.

Auf dem Weg zu mehr Führung aus der Ferne?

Aus den Wahrnehmungen der Studienteilnehmer zu digitaler Führungskommunikation während der Pandemie wird deutlich, dass Geführte in den Dyaden wesentliche Impulsgeber für Führungspersonen darstellen. Realistisch ist daher, dass Geführte auch in Zukunft einen Gestaltungsanspruch in der Führungsbeziehung beanspruchen werden. Hier ist es an Führungspersonen, offen den wertvollen Input von Geführten aufzunehmen und die Führungskommunikation an die gegenseitig gestellten Erwartungen anzupassen.

Dazu lässt sich dieses Erwartungsmanagement auch auf die Beziehung der Führungsdyade mit den verwendeten Kommunikationstools erweitern: Welche Funktionen sollen in der Führungskommunikation verwendet werden und warum? Wann werden Zwischentöne relevant und Präsenzformate bevorzugt? Für Führende und Geführte ist es an der Zeit, sich gemeinsam auf neue Formen der Führung vorzubereiten, die sowohl in Präsenz als auch digital unterstützt aus der Ferne stattfinden. Folgende drei Impulse können dabei als Startpunkte dienen:

  • Geben Sie Ihren Geführten unterschiedlicher Kontexte (Führungsdyade, Gruppe, Abteilung) den Raum, kontinuierlich Erfahrungen mit Führungskommunikation zu teilen
  • Reflektieren Sie gemeinsam mit Führungspersonen, wie und wann Führungskommunikation digital bzw. in Präsenz stattfindet (Formate, Kommunikationstools, Erreichbarkeit)
  • Nutzen Sie Führungskommunikation, um eine anpassungsfähige Führungsbeziehung für neue Arbeitsmodelle & Formen der Zusammenarbeit zu gestalten!

Über den Autor: Adrian Fonger ist seit September 2018 Berater bei der Leipziger Agentur Ewald & Rössing und unterstützt Unternehmen in den Themen Krisenkommunikation und Issues Management. Sein Studium in Münster und Leipzig schloss er 2022 mit einer Masterarbeit zur digitalen Führungskommunikation ab.