In einer Kommunikationswelt, in der die Grenzen zwischen Mediengattungen zunehmend verschwimmen und Social Media-Trends mehr und mehr die Verlagswelt vor sich hertreiben, fällt es zunehmend schwer, die Disziplin PR zu definieren und abzugrenzen. Wenn der Blogpost meines Unternehmens retweetet wird, ist das dann ein Erfolg für die PR-Macher oder für die Social Media-Leute? Sollte es diese Unterscheidung überhaupt geben? Immer mehr Unternehmen wollen ihre Kommunikation an diese neuen Anforderungen anpassen und ihre PR mit Disziplinen wie Social Media und Content Marketing verschränken. Wie kann eine integrierte Content-Strategie im B2C- und B2B-Bereich gelingen?

Eine Möglichkeit, ein wenig Licht ins komplexe Chaos moderner Unternehmenskommunikation zu bringen, ist das PESO-Modell. Es unterteilt Kommunikationskanäle in vier Gattungen: Paid, Earned, Owned und Shared beziehungsweise Social. Während bei Paid-Kommunikation beispielsweise durch Mediaschaltung Budget in Reichweite umgemünzt und bei eigenen (Owned-)Kanälen selbst publiziert wird, lässt sich Reichweite im Earned-Bereich „verdienen“. Die Story, der Inhalt oder die Form sind so attraktiv und relevant, dass Multiplikatoren und Empfänger sie freiwillig aufgreifen oder konsumieren.

Vor dem Internet-Zeitalter war PR im Sinne von Öffentlichkeits- und auch Pressearbeit praktisch die einzige Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu „verdienen“. Ohne einen traditionellen Medienpartner als Multiplikator waren die Möglichkeiten begrenzt. Daher hatten PR-Profis viel Übung, ihre Botschaften so aufzubereiten, dass sie möglichst häufig aufgegriffen wurden. Persönliche Beziehungen zu den wichtigen Gatekeepern taten ihr Übriges, um diesen Erfolg sicherzustellen.

Damit eine Geschichte in klassischen Medien aufgegriffen wird, muss sie eine Reihe von Kriterien erfüllen, beispielsweise eine Neuigkeit beinhalten, kulturell bedeutsam sein oder überraschend. Diese Kriterien fasst die dem Leser sicherlich bekannte Nachrichtenwerttheorie zusammen. Nun hat jeder Multiplikator die Eigenschaft, dass er eine größere Menge an Empfängern erreichen kann als der Sender selbst – was in der Praxis bedeutet, dass die Kriterien des Multiplikators am Ende bestimmen, welche Informationen seine Empfänger erreichen. Nicht jeder Leser eines Magazins entscheidet individuell, ob ihn ein Thema erreicht. Vielmehr ist es die Zugehörigkeit zur Gruppe dieser Magazinleser, die dafür sorgt, dass er mit einer bestimmten Information in Kontakt kommt.

In der PR-Praxis bedeutet das, dass Unternehmen ihre Botschaften mitunter mehr nach den Anforderungen der Medien ausrichten als nach den zwar überschneidenden, aber selten deckungsgleichen Interessen ihrer eigentlichen Zielgruppe. Die in der Marketingszene schon umfassend beschriebene „Every company is a media company“-Medienrevolution bringt es nun mit sich, dass die Möglichkeiten der direkten Kommunikation mit der Zielgruppe mehr und mehr zunehmen und sich mittlerweile auch im mitunter im Vergleich zum englischen Sprachraum etwas trägen deutschen Kommunikationsmarkt hinreichend ausdifferenziert haben, um neue Kommunikationstechniken zu einem Standard zu machen, über den es sich nachzudenken lohnt.

Content Marketing und PR: verwandt, aber oft zerstritten

Als der Content Marketing-Trend vor einigen Jahren an Fahrt aufnahm, hielten es PR-Profis der alten Schule für selbstverständlich, diesen für sich in Anspruch zu nehmen. Schließlich waren sie – zumindest gefühlt – der König der langen Form, der Experte für Inhalte. Und auch wenn die Fähigkeit, auch komplexe Inhalte in eine degustierbare Form zu bringen, unter PR-lern häufig sehr ausgeprägt ist, zeigte sich doch bald ein Mangel: Die traditionelle Unternehmenskommunikation kannte oft nur wenige Kanäle, von denen der wichtigste meist die Zusammenarbeit mit Multiplikatoren, sprich Journalisten, war.

Es ließ sich nun also äußerst hochwertiger Content erstellen und auf die Webseite oder in die sozialen Medien stellen. Und dann hoffen, dass Journalisten oder auch Blogger diese aufgriffen. Währenddessen zogen jedoch andere, vom Ursprung her digitale Disziplinen, links und rechts an der modernisierten Unternehmenskommunikation vorbei: professionelle Blogger, Inbound-Marketer, SEO-Spezialisten und integrierte Kommunikationsspezialisten.

Als Ergebnis kristallisierte sich in vielen Unternehmen heraus, dass „Content“ doch eher eine Online-Disziplin ist und dementsprechend von den entsprechenden Spezialisten produziert wird. Erstaunlich wenige Kommunikationsabteilungen verfügen über eine etablierte und gut funktionierende Schnittstelle zwischen Content Marketing und PR. Meist ist es – bestenfalls – eine auf kollegialem Austausch beruhende Zusammenarbeit.

Der Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Digitale Unternehmensführung – Der Wegweiser zu einem exzellenten Management im digitalen Wissens- und Kommunikationszeitalter“ (ISBN-Nr.: 978-3-658-23052-4) entnommen worden. Dort hat Stefan Epler seinen Aufsatz zuerst veröffentlicht.

Über den Autor: Stefan Epler ist seit 2008 bei Lewis und seither maßgeblich beteiligt an der Transformation von Lewis von einer PR-Agentur zu einer breit aufgestellten Kommunikationsagentur. Seit Anfang 2020 ist er bei Lewis Vice President Marketing Strategy und verantwortet die Erweiterung des Service-Portfolios sowie die Digitalisierungsstrategie der Agentur in Deutschland.


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