Nach dem Master kommt der Trainee: Claudia Davies beginnt bei der IBB Berlin

Am 11. April wird in Stuttgart der Internationale Deutsche PR-Preis verliehen. Um „Data-driven PR – the next big thing?” soll es während des Tagesprogramms gehen. Mit diesem Thema hat sich Claudia Davies von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz in ihrer Abschlussarbeit beschäftigt. Wie groß ist das Potenzial? Was sind die Herausforderungen im Umgang mit Big Data? Wo gibt es konkrete Anwendungen in der PR? In zwei Gastbeiträgen stellt Davies ihre Ergebnisse im „PR-Journal“ vor. Am 1. April startet Davies als Trainee in der Unternehmenskommunikation bei der Investitionsbank Berlin.

Die Bedeutung von Big Data, Algorithmen, und künstlicher Intelligenz beschäftigt aktuell nicht nur Wirtschaft und Politik, sondern lässt gerade für die Kommunikationsbranche eine tiefgreifende Transformation erwarten. Auch in der PR wird intensiv diskutiert und erprobt, wie das Potenzial von Daten – das „Öl des 21. Jahrhunderts“ – genutzt werden kann. Erste Studien deuten auf eine zurückhaltende Anwendung hin. Wieso werden die neuen Techniken noch nicht breit eingesetzt? Liegt es an (mangelnder) Expertise oder fehlender Phantasie? Alles nur eine Ressourcenfrage oder sind rechtliche und ethische Bedenken oder die DSGVO der Grund für die Zurückhaltung?

Zwar halten auch in der PR Big Data und Co. Einzug. Agenturen und Unternehmen leisten gerade echte Pionierarbeit, doch in der Breite sind die Technologien noch nicht angekommen. Im European Communication Monitor 2017 von Zerfaß et al gehörten für 22,8 Prozent der Befragten Big Data-Anwendungen und Algorithmen in der Kommunikation zu den wichtigsten strategischen Herausforderungen bis zum Jahr 2021. In der Umfrage unter 2096 Kommunikations-Mitarbeitern zeigte sich, dass das Thema durchaus auf der Agenda steht.

Doch gaben in einer Studie von Wiesenberg & Zerfaß von 2016 auch 45,1 Prozent der Befragten an, derzeit keine Big Data-Anwendungen im Einsatz zu haben. Da scheinen andere Bereiche schon etwas weiter, wie sich in automatisierter Texterstellung im Roboterjournalismus, Micro-Targeting in der Politik oder prädiktiven Analysen in der Medizin zeigt. Auch in der Kommunikationsforschung gibt es erste Pionierstudien. Für die Studie wurden in intensiven Interviews mit PR-Profis vier möglicherweise interessante diskutiert: Deskriptive/diagnostische Analysen, Automatisierungstools, Prädiktive Analysen und Microtargeting. Was ist also möglich?

Deskriptive und Diagnostische Analysen

Deskriptive Analysen liefern in erster Linie Informationen wie die Anzahl der „Likes“ eines Facebook-Posts. Das ist das Daily Business vieler PR-Profis. Diagnostische Analysen gehen einen Schritt weiter und ermöglichen die Analyse von Zusammenhängen. Hier sehen die Public-Relations-Experten besonders großes Potenzial und vermutlich sind die Tools inzwischen auch in vielen PR-Stübchen angekommen.

Das zeigt auch die Studie von Wiesenberg & Zerfaß. Dort gaben 60,7 Prozent der befragten Kommunikationsexperten an, Big Data und C0. für Erfolgsmessung und die Rechtfertigung eigener Aktivitäten im Nachhinein zu nutzen. Was macht man also damit?

Gelegenheiten sind beispielsweise im Social Media Monitoring angesiedelt. Quantitativ können Volumen und Reichweite gemessen werden. Qualitativ kann die Stimmung erfasst und können bestimmte Nachrichtenseiten, Blogs, Influencer und Prosumer identifiziert und gezielt adressiert werden. Unzufriedene Kunden lassen sich direkt ansprechen, um Reputationsverluste zu vermeiden und öffentlich zu zeigen, wie Kundenbeschwerden gelöst werden. So kann man mit Hilfe der Tools bei Kunden das Gefühl erzeugen, Teil der unternehmerischen Dienstleistungsentwicklung zu sein. Auch Opinion Mining scheint von Interesse zu sein und kann überaus nützlich bei der Evaluation von Kampagnen sein. Die Analysen können Risiken von Online-Kommunikationsstrategien identifizieren und als Warnsystem dienen. Allerdings können sie die identifizierten Risiken nicht selbst lösen.

Automatisierungstools

Automatisierung kann in ganz verschiedene Richtungen gehen. Zum einen ist da die Automatisierung der Inhalteerstellung. Inzwischen ist die Technologie so weit, dass computergenerierte und von Menschen geschriebene Texte von Rezipienten kaum unterschieden werden können. Allerdings scheint dies noch immer hauptsächlich für datenlastige und repetitive Themen geeignet und eher für den serviceorientierten als aufklärerischen Gebrauch. Das könnte zum Beispiel für die Finanzkommunikation durchaus interessant sein.

Jedoch hat die 2016 veröffentlichte Studie von Wiesenberg & Zerfaß gezeigt, dass teil- oder vollautomatisierte Inhalterstellung nicht besonders weit oben auf der Prioritätenliste von Kommunikationsexperten zu stehen scheint. Lediglich 25,6 Prozent der Befragten hielten diese Anwendungen für wichtig. Die Befragten PR-Profis lehnen allerdings mehrheitlich die Nutzung der Tools ab. Automatisierte Kommunikation in Form von Chatbots scheint auch noch nicht vollends angekommen zu sein. Und Social Bots können zwar theoretisch Inhalte streuen, doch sollten PR-Experten hier vorsichtig sein. Der Einsatz wird mehrheitlich abgelehnt.

Prädiktive Analysen

Vielversprechend sind außerdem prädiktive Analysen, mit denen sich Vorhersagen treffen lassen. Dabei handelt es sich weder um „Hexenwerk“, noch um einen Blick in die Glaskugel – mittels geeigneter Modelle und genügend Daten wird es viel mehr möglich sein, Vorhersagen zu Wahrscheinlichkeiten von zukünftigen Ereignissen zu treffen.

Zwar sind die Tools in der PR-Praxis derzeit noch selten, doch wird bereits an Lösungen gebastelt. Und auch in der Medizin, beispielsweise bei der Vorhersage über die Ausbreitung von Krankheiten durch Social Media-Daten, gibt es bereits erfolgreiche Versuche mit prädiktiven Analysen. Die Möglichkeiten dieser Tools sind vielfältig. Sie können als Frühindikator fungieren, zur Vorhersage von kommunikativen Entwicklungen, Shitstorms und künftigen Interessen, Bedürfnissen und Trendthemen. Insbesondere in der Krisenkommunikation wird es interessant. Es können zwar nur systemische und keine Störereignisse erfasst werden, doch bieten sich hier Möglichkeiten, Krisen rechtzeitig zu erkennen und so auch zeitnah kommunikativ entgegen zu steuern. Hier könnte sich in Zukunft ein wichtiger Markt entwickeln.

Microtargeting

Microtargeting bringt man vielleicht eher mit Donald Trump, Cambridge Analytica oder dem Brexit in Verbindung. Doch scheint es auch in der PR durchaus Anwendungsmöglichkeiten und Anwender zu geben. Insgesamt lassen sich damit Botschaften zielgerichtet distribuieren, Gruppen mobilisieren, Stakeholder managen oder Webdesign dynamisieren. Die Abwägung der Vor- und Nachteile, insbesondere in Bezug auf ethische Aspekte oder die vieldiskutierte DSGVO, scheint auch hier eine große Rolle für PR-Profis zu spielen.

Es zeigt sich also – Big Data, Algorithmen und PR? Das geht ganz gut zusammen. Die Tools sind so vielfältig wie ihre Einsatzmöglichkeiten und können eine große Stütze für den PR-Profi sein. Allerdings birgt der Einsatz auch einige Risiken und Schwächen, die die Vorstellung einer vollständigen Automatisierung von Routine-Aufgaben, die auch noch pünktlich, fehlerfrei und in kürzester Zeit erstellt werden – trüben.

Was es beim Einsatz von Big Data alles zu beachten gilt und wie das Fazit der Studie lautet, steht im zweiten Teil, der am 5. April erschienen ist..

Quellen:

* Wiesenberg, M. & Zerfaß, A. (2016). Big Data und Algorithmen. Empirische Studie zum Status quo in Deutschland und Europa. PR Magazin, 09/2016, 42–47.

* Zerfass, A., Moreno, A., Tench, R., Vercic, D. & Verhoeven, P. (2017). European Communication Monitor 2017. How strategic communication deals with the challenges of visualisation, social bots and hypermodernity. Results of a survey in 50 countries, EACD/EUPRERA, Quadriga Media Berlin.

Über die Autorin:

Claudia Davies hat Anfang 2019 ihren Master in Kommunikation an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz abgeschlossen. In ihrer Abschlussarbeit hat sie sich mit dem Potenzial und den Herausforderungen von Big Data und Co. für die PR-Branche beschäftigt. Gemeinsam mit ihrer Betreuerin – Junior-Professorin Dr. Leyla Dogruel – hat sie diesen Artikel über die Ergebnisse ihrer Arbeit verfasst. Weitere Infos: www.claudiadavies.de.


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