Autoren-Beiträge Zukunft der Kommunikation: Design Thinking, Programmieren und Making im Werkraum

Wer über die Zukunft der Kommunikation spricht, sagt: „Digitalisierung“ – doch das nun schon seit mehr als 30 Jahren. Wo geht die Reise hin? JP|KOM-Gründer und -Geschäftsführer Jörg Pfannenberg wagt zum Jahreswechsel den Blick in die Glaskugel.

Jörg Pfannenberg sagt: „Agenturen und Unternehmen werden sich öffnen für Kommunikationsdesigner, App-Programmierer, Bewegtbildexperten, Künstler und Maker. Dafür braucht es offene Türen.“ (© Falco Peters)

JP Kom Digitalisierung Kommunikation GrafikDie Digitalisierung begann in der 80ern mit den Macs. In den 90ern stellte das WWW einen neuen Kanal bereit. Mit den neuen digitalen (exponenziellen) Geschäftsmodellen, wie Facebook, AirBnB und Amazon, entstanden neue Formate und Formen des Engagements bis hin zum Co-Creating. Die Zukunft gehört dem Internet of Things: Dinge werden Medien, Objekte kommunizieren. (© JP|KOM)

Wohin die Zukunft uns führt, kann man in China beobachten: Alibaba und Co stellen für die Stakeholder komplette Ökosysteme bereit, in der Produktion, Logistik/Handel, Banking/Payment und eben auch Marketing/Kommunikation auf einer Plattform zusammenwachsen: Big Data und Artificial Intelligence, autonomes Fahren und intelligente Verkehrssteuerung, Smart Payment und smarte Home Appliances werden dort bereits im Großversuch getestet, in der Versuchsstadt Rongcheng, im City Brain Projekt Hangzhou und natürlich in der Maker-Stadt Shenzhen. Für Agenturen in China ist selbst Content für Social Media längst kein Wachstumsgeschäft mehr.

Das Auto als Medium: Content für kommunizierende Gegenstände

Im Internet der Dinge werden Produkte/Service/Prozesse und Kommunikation zusammenwachsen. Nehmen wir des Deutschen liebstes Kind: das Auto. In 15 Jahren werden nur noch Kisten mit Rädern elektronisch aneinandergekoppelt, in der Stadt mit Tempo 40, über Land mit 120 km/h. Zeit, den Sitz um 180 Grad herumzudrehen und sich den anderen Passagieren zu widmen.

Oder – wohl noch häufiger – dem Auto als Medium. Die ganze Oberfläche des Innenraums wird dann ein Bildschirm sein. Oder ein Ort für holografische Projektionen. Wenn das Auto zum Medium wird, entscheidet die Kommunikation über den (Marken-)Wert:

Die Perspektive des Kunden. Big Data-Analysen ergeben zum Beispiel: der Fahrer ist 41 Jahre alt, männlich, verheiratet, zwei Kinder. Hat in Karlsruhe studiert (Ingenieur?), arbeitet im Rhein-Main-Gebiet. Wohnt jetzt mit seiner Familie in einem Neubaugebiet im Hintertaunus – klassische Doppelhaushälfte, frisch finanziert mit wenig Eigenkapital. Sein Auto: ein Kombi mit alter Antriebstechnik, schon zehn Jahre alt. Was liegt näher, als ihm Informationen über die neue Fahrzeuggeneration inklusive Finanzierung auszuspielen?! Am besten, er setzt seine Datenbrille auf und erlebt die vorbeiziehende Landschaft mit Augmented Reality im neuen Fahrzeug.

Die Perspektive des potenziellen Mitarbeiters. Wenn das Unternehmen aus Baden-Württemberg weiß, der Fahrer ist Ingenieur, dann kann es ihm auch einen Film einspielen über das neue Entwicklungszentrum in der Nähe von Stuttgart – und welche Möglichkeiten ihm sich da bieten.

Die Anlegerperspektive. Zwei Fahrzeuge weiter sitzt der „Empty Nester“: 60 Jahre alt, Haus in älterem Wohngebiet, wahrscheinlich abbezahlt; Solartherme auf dem Dach, neue Sauna im Keller, Kinder sind aus dem Haus. Freie Finanzmittel! Ihm spielen wir Informationen über die neue Anleihe ein. Lassen ihn per Virtual Reality in den Verkehr der Zukunft eintauchen, für das die Finanzmittel verwendet werden sollen.

Die Meinungsbildnerperspektive. Beide sind Meinungsbildner und interessieren sich dafür, wie das Unternehmen seine Verantwortung wahrnimmt und die Zukunft der Mobilität mitgestaltet. Der CEO nimmt – virtuell – auf den Sitz gegenüber Platz und erzählt, warum Unternehmen heute politisch Haltung zeigen müssen.

JP Kom Auto als Medium Grafik(© JP|KOM)

Die neue Arbeitswelt der Kommunikation

Wie muss die Kommunikation, wie muss die Agentur der Zukunft aufgestellt sein, um den Lead im Internet of Things zu übernehmen? Sicherlich nicht im Newsroom, wo ehemalige Journalisten die alte Redaktionskonferenz („Was liegt heute an…?“) ein letztes Mal nachbauen.

Design Thinking. Tools in agilen Prozessen werden die Kundenbedürfnisse in den Blick rücken und den Innovationsprozess beschleunigen. In Workshops regen Storytelling und Rollenspiele die Kreativität an, und auch Spielen ist dann keine Schande mehr – Spielzeug liegt bereit.

Programmieren. Digitale Netzwerkanalyse, Big Data und Predictive Analysis, Chatbots. Coding ist die Sprache der Zukunft. Wer sie gar nicht spricht, kann künftig auch niemand mehr beraten. Programmier-Tools machen es heute so einfach wie nie zuvor, Prototypen zum Beispiel für Augmented Reality Apps zu bauen.

Maker integrieren. Damit die Ideen aus dem Design Thinking Wirklichkeit im Internet of Things werden, müssen sich Kommunikationsabteilungen und Agenturen für Maker öffnen. Sie bauen die Dinge, die miteinander und mit den Stakeholdern kommunizieren und sie engagieren können. Und 3D-Drucker stellen sie her.

Werkräume. Die Kommunikationsabteilungen und Agenturen der Zukunft werden sich nicht mehr im Großraumbüro, im Meetingraum oder im Newsroom versammeln. Sie werden in Werkräumen Content-Gegenstände designen, programmieren und bauen. Dafür brauchen sie alles in greifbarer Nähe: die Content Kreation, das grafische Design, die Programmierung, Fotostudio und Bewegtbild-Ecke, Spielmaterial für das Bauen von Prototypen und die Werkstatt für das Making.

Die Kommunikationsabteilungen und Agenturen werden das nicht alles selbst leisten können. Sie werden sich öffnen für Kommunikationsdesigner, App-Programmierer, Bewegtbildexperten, Künstler und Maker. Dafür braucht es ständig offene Türen – eine Organisation, die atmet.