Autoren-Beiträge Autorenbeitrag über Robo-Journalismus: Vom Seismograph zum Redakteur

Der Einsatz von Robotern durchzieht derzeit alle Branchen. Auch im Journalismus macht sich allmählich der „Roboter-Journalismus“ breit. Aber was genau muss man sich darunter vorstellen? Mit dem Roboter-Jounalismus ist die mittels Algorithmen durchgeführte Generierung von Nachrichtentexten gemeint. Mehrere Studien, etwa der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, haben sich dieser Entwicklung bereits angenommen.

Allan Grap

An der LMU-Studie nahmen insgesamt 986 Probanden teil, bei der die Qualität des Roboter-Journalismus‘ überprüft wurde. Die Studienteilnehmer sollten bewerten, inwiefern unterschiedliche Texte, die entweder mit oder ohne Robotertechniken erstellt wurden, überzeugend waren. Bei der Studie schnitten die durch Roboter verfassten Texte tatsächlich sehr gut ab. Ein besonderes Qualitätsmerkmal der von Algorithmen erstellten Arbeiten, seien die hohe Glaubwürdigkeit, so die Studienleiter Andreas Graefe und Hans-Bernd Brosius von der LMU.

Im Unterschied zu den Texten, die von Menschen geschrieben werden, zeichnen sich die Robotertexte durch eine sehr dichte Faktenlage aus. Die Darstellung von Zahlen und Fakten, erhöhen schließlich die Reliabilität einer verschriftlichten Ausarbeitung und professionalisiere diese innovative Form der Berichterstattung. Parallel seien menschliche Texte einfacher zu lesen, was wiederrum ein Qualitätsmerkmal der klassischen Berichterstattung markiert.

In der Konsequenz könnte eine gewisse Wettbewerbskonstellation zwischen menschlichem und automatisiertem Journalismus entstehen, bei der sich Leser möglicherweise zwischen harten Fakten oder ansprechender Lesart entscheiden müssen. Allerdings ist der Robo-Journalismus, etwa in den USA, bereits seit langem Bestandteil der Pressearbeit. So messen Algorithmen etwa Erdbeben in Los Angeles, generieren relevante Faktoren, die für einen Bericht ausschlaggebend sind und verfassen schlussendlich einen Bericht.

Doch wer sind aktuell die Vorreiter in puncto Roboter-Journalismus? Welche Daten und Fakten stehen zur Untersuchung der Thematik zur Verfügung? Welche Meinungen gibt es in der Szene?

Wenn aus Fiktion Realität wird: Associated Press schafft seine Mitarbeiter ab

Intensiv benutzt wird diese Methode bereits von der US-amerikanischen Nachrichtenagentur „Associated Press“. In diesem Zusammenhang werden Meldungen über Unternehmen je nach den Entwicklungen in einem Quartal zusammengefasst. Hierbei sind Textbausteine bereits manuell definiert. Die Aufgabe des Algorithmus ist es folglich, diese Bausteine je nach Meldung zu kombinieren, damit ein plausibler Text entsteht.

Der Mensch wird deshalb aber selbstverständlich nicht obsolet: Er soll die Ergebnisqualität der Roboter sicherstellen und gleichzeitig eher kreative Arbeit leisten. Man denke an investigative Recherchen. „Dies könne Roboter-Journalismus eben mit Nichten ersetzen“, so Thomas Hestermann, Journalistik-Professor von der Hochschule macromedia. Weitere namhafte europäische Nachrichtenagenturen, die für ihre journalistischen Arbeiten auf Roboter-Techniken zurückgreifen sind die APA aus Österreich sowie die französische AFP und die dpa aus Deutschland.

Im Vereinigten Königreich, kooperiert die Press Association mit einem internationalen Start-Up, um Texte für lokale Zielgruppen zu generieren. Dabei werden zunächst Datensätze von ausgewählten Regionen des Landes zusammengestellt. Dadurch können final die Titelblätter regionaler Medien wie der Norwich Evening News oder der Cambridge News verfasst.

Journalistische Fließbandarbeit

Bei AP setzt man indes auf die Expertise der Firma „Automated Insights“. Alle drei Monate werden so mithilfe der Programmierung bis zu 4.000 Berichte verfasst. Diese sind zwar standardisiert, sorgen aber genauso für eine sehr effiziente Arbeitskultur. Schließlich produzieren Roboter bis zu zehn Mal so viele Arbeiten wie Journalisten. AP strebt hier für die Zukunft an, bis zu 80 Prozent der angebotenen Texte via Robo-Journalismus zu produzieren. Dabei sollen Freiräume für die menschlichen Mitarbeiter entstehen, die dank der technischen Unterstützung deutlich mehr Zeit in etwa investigativen Journalismus investieren können.

„Roboterjournalisten haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber menschlichen Autoren: Sie sind billiger, produktiver, machen keine Flüchtigkeitsfehler und streiken nicht(...)“

Auch die Berliner Firma Retresco hat einen eigenen Algorithmus zur automatisierten Texterstellung entwickelt. Das Programm „textengine“ ist bereits in der Lage, mit bis zu 6.000 Formulierungen unterschiedliche Berichte zu generieren. Inhaltlich eignet sich die Methode für Daten aus den Themengebieten Sport, Börse und Wetter. Experten bemängeln jedoch, dass diese zu statisch, nicht dynamisch genug sei. Gerade in puncto Wirtschaftsnachrichten sind Roboter (noch) nicht in der Lage, menschliche Schreibkompetenzen zu ersetzen. Das gilt auch für die Sportberichterstattung, bei der auch Zahlen im Vordergrund stehen, aber diese erst durch die Hervorhebung der Emotionen interessant für den Leser wird. Der Roboter schafft es bislang nicht, zwischen überflüssigen und zentralen Informationen zu differenzieren. Außerdem werden keine Zusammenhänge erstellt, worunter die Qualität der Texte leidet.

Zwar lassen sich durch die computergenerierten Texte dauerhaft Ressourcen sparen und Texte en Masse produzieren, ob dies jedoch für den Leser interessant ist, der neben der reinen Information auch auf einen gewissen Unterhaltungswert der Texte achtet, sei dahingestellt.

Journalisten betrachten Entwicklung mit Unmut

Wie betrachten die Vertreter der Medienbranche eigentlich selbst das Phänomen des Roboter-Journalismus? Einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts „Statista“ zufolge bewerten 49 Prozent der Befragten die Thematik automatisiertes Nachrichtenwesen bzw. Roboter-Journalismus mit viel Skepsis. Ganze 28 Prozent der Befragten standen dem Thema komplett negativ gegenüber. Alleine drei Prozent äußerten sich rein positiv im Hinblick auf das Phänomen. Daraus folgt, dass es noch eine recht geringe Akzeptanz gegenüber Robo-Journalismus gibt. Auch, wenn bereits im Ist-Zustand kaum zwischen menschlichen und mechanischen Berichten differenziert werden kann. Die einleitende Studie der LMU untermauert dies nochmal. Dennoch existiert eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber der Mechanisierung der Branche.

Kristian Hammond, Gründer des US-Technologieunternehmens Narrative Science, schätzte darüber hinaus bereits im Jahr 2012, dass bis in das Jahr 2020 90 Prozent aller verfügbaren Texte durch Roboter erstellt werden. Die unmittelbare Konsequenz daraus sei eine starke Zerfaserung der Journalistenszene. Eine große Mehrheit der Beschäftigten in der PR-Branche sowie Freiberufler drohe anhand dieser Entwicklung die Erwerbslosigkeit. Es ist also deutlich zu erkennen, dass Roboter-Journalismus einen aktiven Impuls auf die Branche ausübt. Ob dieser jedoch tatsächlich dauerhaft in der Lage sein wird, den Menschen als Schlüsselstelle eines guten Journalismus zu ersetzen, dürfte aufgrund des Leser-Anspruchs eines faktisch korrekten, aber dennoch in der Tiefe und durchaus auch emotionalen Reportagestils eher unwahrscheinlich sein. 

The New Normal

Beim Robo-Journalismus handelt es sich nicht um eine Zukunftsvision. Die Möglichkeit, Texte per Robotertechniken zu generieren, hat sich bereits – wenn auch nur in Teilen – bei vielen Vertretern der PR-Szene durchgesetzt. Letztlich sollte man in der zunehmenden Automatisierung von Pressetexten keine Gefahr für die Branche sehen, sondern eine Chance, eingesparte Ressourcen lieber für die Recherche und Produktion hochwertig erstellter Presseartikel einzusetzen. Das Schreiben reiner Tatsachenberichte und Pressemitteilungen gehört zwar für jeden mit der Medienarbeit betrauten Professional dazu, es gehört jedoch aufgrund der festgelegten Schreibformen und -strukturen und der dadurch eingeschränkten Freiheit des kreativen Schreibens eher zu den lästigen Aufgaben der Pressesprecher.

Auch wenn der Robo-Journalismus bestimmte Informationen in einer bestimmten Struktur abbilden kann, so ist es ihm weiterhin unmöglich, individuelle, emotional geprägte Berichte zu verfassen, die den Menschen berühren. Es wird daher wohl darauf hinauslaufen, dass algorithmen-basierte Artikel die menschengemachte Pressearbeit ergänzen werden. Ein Fakt, der zu mehr journalistischer Qualität führen kann.

Über den Autor: Allan Grap ist Geschäftsführer der Bettertrust GmbH in Berlin und Kommunikator mit Leidenschaft. Er betreut zahlreiche Mandanten aus den Bereich Finanz- und Digitalwirtschaft. Sein Spezialgebiet ist die PR-seitige Bereuung von Unternehmern bei der strategischen Positionierung des Managements als Thought Leader in internationalen Medien.

Seitennavigation