Autoren-Beiträge Nominierung Friedensnobelpreis: Kommunikationsfalle für Angela Merkel

Merkel Angela kl web R B by Tim Reckmann pixelio.deDer Friedensnobelpreis ist ein Kind des Krieges, ins Leben gerufen durch Alfred Bernhard Nobel (1833 – 1896), einem schwedischen Rüstungsindustriellen, Chemiker und Erfinder. Nobel erfand unter anderem das berühmte Dynamit. Der Preis wird jedes Jahr erneut verliehen. Er zeichnet die Lebensleistung bedeutender Menschen und Organisationen aus, die sich für Frieden, Völkerfreundschaft, Verständigung und Aussöhnung einsetzen. Es geht bei diesen Auszeichnungen nie um die Menschen und Organisationen, sondern um deren Taten. Somit geht es in diesem Jahr – wenn es denn so käme – auch nicht um die Person Angela Merkel (Foto © Tim Reckmann / pixelio.de), sondern um die Frage, ob die Ergebnisse der merkelschen Politik eine solche Nominierung oder sogar die Vergabe des Preises rechtfertigen. Man darf gespannt sein, wie das Nobelpreis-Komitee am 9. Oktober entscheidet. Lesen Sie nachfolgend welche Folgen es für Merkel ihr Image und ihre Glaubwürdigkeit hätte, wenn sie wirklich nominiert oder gar ausgezeichnet würde.

In seinem Testament nannte der Stifter Alfred Bernhard Nobel die Kriterien für die Verleihung des Friedensnobelpreises:

  • „Die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben.“
  • „An denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat.“
  • „Es ist mein ausdrücklicher Wille, dass bei der Preisverteilung die Zuteilung nicht an irgendeiner Nationalität festgemacht wird, so dass der Würdigste den Preis erhält, ob er Skandinavier sei oder nicht.“

Eine kurze Geschichte der Menschlichkeit
Die Liste der Preisträger ist ein „Who's Who“ der guten Menschen und wohltätigen Organisationen.

1901 erhielt Henry Dunant (1828–1910) als erster den Preis für die Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. 1906 wurde Theodore Roosevelt ausgezeichnet für seine erfolgreiche Vermittlung beim Friedensvertrag im russisch-japanischen Krieg.

1917 ging er an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz für seinen Einsatz für Kriegsgefangene und Verwundete sowie für die Einhaltung der Genfer Konvention. 1944 erhält erneut das Internationale Komitee vom Roten Kreuz diese Auszeichnung für seinen Einsatz für Kriegsgefangene und Verwundete sowie für die Einhaltung der Genfer Konvention.

1952 geht der Preis an Albert Schweitzer für seine Arbeit in Lambarene in Afrika, 1953 an George C. Marshall (1880–1959), den Initiator des Marshallplans. 1964 folgt Martin Luther King (1929–1968) für seinen Kampf für die Rechte Schwarzer in den USA und weltweit.

1971 Willy Brandt (1913–1992) für den Dialog und die Aussöhnung mit den Osteuropäischen Ländern, dann 1975 der Menschenrechtler Andrei Dmitrijewitsch Sacharow (1921 – 1989) und 1979 Mutter Teresa (1910–1997).

Geehrt wurden weiter 1983 Lech Wałęsa (* 1943), 1984 Desmond Tutu (* 1931), 1989 der Dalai Lama, 1990 Michail Sergejewitsch Gorbatschow. 1993 Nelson Mandela (1918–2013) gemeinsam mit Frederik Willem de Klerk (* 1936) für ihren Beitrag zur Beendigung der Apartheid in Südafrika. 1994 Jassir Arafat (1929–2004), Schimon Peres (* 1923) und Jitzchak Rabin für die Bemühungen bei der Lösung des Nahostkonflikts.

2001 sind es die Vereinten Nationen (gegründet 1945) und Kofi Annan (* 1938) „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“, 2002 Jimmy Carter (* 1924) „für seine jahrelangen Beiträge zur Lösung internationaler Konflikte sowie zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten“.

2009 erhielt Barack Obama (* 1961) den Friedenspreis „für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken“. 2012 war es die Europäische Union.

Auf dem Prüfstand
Die Abrüstung von Waffen, das Schließen von Friedensverträgen, die Beendigung von Kriegen, der Kampf für die Menschenrechte, das Schaffen von Dialog und Verständigung bilden den roten Faden bei der Preisvergabe.

Es geht bei diesen Auszeichnungen nie um die Menschen und Organisationen, sondern um deren Taten. Somit geht es auch nicht um die Person Angela Merkel, sondern um die Frage, ob die Ergebnisse der merkelschen Politik eine solche Nominierung oder sogar die Vergabe des Preises rechtfertigen.

Die Abrüstung von Waffen
1962 wurde dem Amerikaner Linus Carl Pauling (1901–1994) der Friedensnobelpreis verliehen für seinen Einsatz für die Beendigung von Atomwaffentests. 1985 ehrte man die Organisation „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges. 1995 wurde der Brite Józef Rotblat (1908–2005) geehrt für seine Anstrengungen, die Rolle von Atomwaffen in der internationalen Politik zu verringern“. 2005 wurden Mohammed el-Baradei (* 1942) und die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) (gegründet 1957) geehrt für ihren Einsatz gegen den militärischen Missbrauch von Atomenergie sowie für die sichere Nutzung der Atomenergie für zivile Zwecke“.

Angela Merkel ließ zwar die Stärke der Bundeswehr wieder reduzieren, trotzdem kann man nicht von Abrüstung auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland sprechen. Aktuell planen die amerikanischen Streitkräfte die Modernisierung der in Rheinland-Pfalz stationierten Atomwaffen. Hier besteht das Risiko eines neuen nuklearen Rüstungswettlaufs. Ein merkelscher Erfolg bleibt bisher an dieser Stelle aus.

Der Dialog mit Russland
1971 erhielt Willy Brandt für die Ost-West-Gespräche mit der UDSSR und dem Warschauer Pakt den Friedensnobelpreis. 1990 wurde ebenso Michail Sergejewitsch Gorbatschow ausgezeichnet. Dieses Hoch in den deutsch-russischen Beziehungen liegt schon lange zurück. Die deutsche Politik steckt in Sanktionen fest die zu Lasten des Deutschen Mittelstandes gehen. Auch hier ist kein dauerhafter Erfolg in Sicht.

Die Beendigung von Kriegen
1906 wurde Theodore Roosevelt (1858–1919) ausgezeichnet für seine Vermittlung beim Friedensvertrag zwischen Russland und Japan 1905. 1919 ehrte man Woodrow Wilson für seine Vermittlungsbemühungen zur Beendigung des Ersten Weltkriegs. Auch gegenwärtig mangelt es immer nur am Frieden, nicht an den Kriegen. In der Ukraine herrscht Bürgerkrieg. Syrien, Libyen und der Irak sind dabei „falled states“ zu werden. Noch nie gab es so viele Auslandseinsätze der Bundeswehr international, noch nie so viele Brandherde gleichzeitig an den Grenzen der Europäischen Union. Angela Merkel ist es bisher nicht gelungen, auch nur einen zu löschen.

Die Menschenrechte
Für ihren Kampf für die Menschenrechte wurden zahlreiche Persönlichkeiten ausgezeichnet. U.a. 1991 Aung San Suu Kyi (* 1945), 1992 Rigoberta Menchú (* 1959), 2002 Jimmy Carter (* 1924), 2003 Schirin Ebadi, (* 1947), 2010 Liu Xiaobo (* 1955).

Barak Obama, Friedensnobelpreisträger 2009, war noch mit dem Wahlversprechen angetreten, den Schandfleck „Guantanamo“ schließen zu wollen. Das hat er trotz des an ihn verliehenen Friedensnobelpreises noch nicht getan. Schlimmer noch, in einem kürzlich erschienen Untersuchungsbericht des Amerikanischen Senates musste festgestellt werden, dass Menschenrechte dort ein Fremdwort und Schläge und Folter wie Water-Boarding aber Teil der Behandlung der Gefangenen sind. Angela Merkel hat zwar diese Praxis kurz kritisiert, eine Veränderung hat sie aber nicht herbeigeführt und auch nicht darauf gedrängt.

Der innereuropäische Dialog
2012 wird die Europäische Union ausgezeichnet „für über sechs Jahrzehnte, die zur Entwicklung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa beitrugen“. Drei Jahre später haben sich die Fronten innerhalb Europas auch unter den Mitgliedern gewaltig verhärtet. Das Nord-Süd-Gefälle, die Flüchtlingskrise, die ungelöste Griechenland-Frage, die Ablehnung von Merkels Führungsstil und wachsender Hass auf Deutschland und seine Politik haben dazu geführt, dass der europäische Traum immer mehr in den Hintergrund gedrängt wird. Es knirscht gewaltig im europäischen Gebälk. Wirtschafts-Nobelpreisträger Eric Maskin sagte sogar, dass Merkel in Europa eine völlig falsche Politik verfolge. Der von ihr verordnete Sparkurs werde die Euro-Zone in die Depression schicken äußerte der in Harvard lehrende Maskin noch vor kurzem in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“.

Der internationale Dialog
Die Vereinten Nationen (gegründet 1948) entstanden aus der Asche des Zweiten Weltkrieges. 2001 werden die Organisation und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan (* 1938) „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“ ausgezeichnet. 1988 wurden sogar die Friedenstruppen der Vereinten Nationen ausgezeichnet für ihre Friedenseinsätze in Krisengebieten.

Diese Bedeutung der UN sieht man auch unter Merkel zurückgedrängt. Auf deren Einbindung wurde in Libyen, Syrien und auch in der Ukraine verzichtet. Syrien ist heute ein Stellvertreterschauplatz, wo beide, die USA wie Russland meinen, dass es auch ohne die UN-Vollversammlung geht. Das Spiel der beiden Großmächte erinnert an die besten Zeiten des Kalten Krieges. Ein neuer Kalter Krieg hat schon längst begonnen. Noch verschließen wir davor die Augen. Die Frage ist wie lange wir dies noch können.

Die Armutskrise in Deutschland
1965 wurde das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), gegründet 1946, ausgezeichnet. Die Armut ist in unserem Land, das als eines der reichsten Länder dieser Welt gilt, massiv angestiegen. Inzwischen werden 12,5 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland offiziell als arm eingestuft. Darunter sind allein fast zwei Millionen Kinder. Auch hier gibt es keine Erfolgsstory, die einen Friedensnobelpreis rechtfertigt.

Die Flüchtlingskrise
Entstanden aus einer verfehlten Interventionspolitik, für die auch Angela Merkel mit die Verantwortung trägt, sind Brandherde entstanden: Afghanistan, Irak, Syrien, Libanon, Libyen und die Palästinenserfrage. Instabil ist sie geworden, die arabische Region. Terrorgruppen, Kriegsfürsten, keine Sicherheit, Armut, aber auch keine Perspektive, haben viele Menschen aus Arabien und Afrika dazu gebracht, sich auf die Suche nach einem anderen, besseren Leben auf den Weg zu machen. Es werden gerne Vergleiche gezogen mit der Wiedervereinigung Deutschlands, frei nach dem Motto: „Wir werden dies schaffen“. Vergessen wird aber dabei, dass auf die Tage der Euphorie die Jahre des Schweißes und der enttäuschten Erwartungen folgten. Die Flüchtlingskrise hat noch kein Ende. Es werden Jahre folgen, die uns noch sehr viel Arbeit, viel Mut, Bereitschaft aufeinander zuzugehen und sehr viel Einsatz abverlangen werden. Und nicht nur uns, sondern auch den Flüchtlingen. Ob dies gelingt, wagt heute noch niemand vorherzusagen.

Besser nicht!
Man hat Angela Merkel keinen Gefallen damit getan, ihren Namen als eventuelle Kandidatin für den Friedensnobelpreis ins Spiel zu bringen. Denn es zwingt zwangsläufig zur Betrachtung ihrer Entscheidungen und der Resultate ihrer Politik. Den guten Willen mag man ihr nicht absprechen. Die außergewöhnlichen Ergebnisse aber schon.

Merkel tut sicherlich ihre Arbeit, aber macht sie das zur Würdigsten? Hat sie der Menschheit den größten Nutzen gebracht? Ist dies, kann dies oder darf dies überhaupt Ihr Ziel sein? Wir wollen Angela Merkel kein Unrecht tun. Aber es fällt schwer, ihren Namen im gleichen Atemzug zu nennen mit Menschen wie Martin Luther King, Bischof Tutu und Michael Gorbatschow und den anderen Würdenträgern.

Der einzige Name, bei dem es nicht schwer fällt, ist der des Barack Obama. Schon die Nominierung Barack Obamas und die anschließende Verleihung an ihn, basierend auf „Vorschusslorbeeren“ und der Hoffnung dass Guantanamo, so wie er es versprochen hatte, geschlossen wird, erweist sich heute mehr als fragwürdig und diskutabel.

Aber wie sehen dies die Bundesbürger? Bei einer Online-Umfrage des „Tagesspiegel“ zu der Frage: „Hätte Angela Merkel den Friedensnobelpreis verdient?“ gaben insgesamt 3.500 Leser Ihre Stimme ab. Mit „Ja“ stimmten 542 Personen (15%) und mit Nein immerhin 2.958 Personen (85%). Deutlicher kann ein Votum kaum wirklich ausfallen. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass die Zustimmung für Merkel nach allen Umfragen der vergangenen Monate deutlich größer ist, als in dieser speziellen Umfrage des „Tagesspiegel“.

Schon eine Nominierung Merkels wäre für sie keine Chance. Sie kann nur darauf hoffen, dass das Thema wieder heimlich, still und leise aus den Medien verschwindet. Die Verleihung des Preises bei solchen Umfragewerten in der Bevölkerung würden ihre Image und ihre Glaubwürdigkeit aber nachhaltig untergraben und ihre Politik einem Anspruch aussetzen, der diese bisher nicht gerecht worden ist.

Mit einer Verleihung des Preises an Angela Merkel würde aber das Komitee dem Anspruch seines Gründers erneut nicht gerecht werden und das Merkelsche Image weiter verschlechtern. Denn auch der Name Merkel bleibt mit Guantanamo in Verbindung. Zwar kritisierte auch sie die Existenz und den Fortbestand dieses Gefängnisses, aber auch hier folgten auf bloße Worte keine weiteren Taten.

Über die Autoren: Bernd Oliver Bühler ist geschäftsführender Gesellschafter der Janus Consulting GmbH und Geschäftsführer der Tridens International HR-Solutions GmbH, beide ansässig in Gschwend. An der Universität Poitiers hat er Wirtschaftswissenschaften studiert, zudem ist er Absolvent der Ecole de Guerre Economique, der Schule für Wirtschaftkrieg in Paris. Claus Rämer ist Wirtschaftsberater mit den Schwerpunkten Industrie & Mittelstand, internationale Wirtschaftsbeziehungen und Projektentwicklung.

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