Agile Denkpause Empörung ist nur Treibstoff für rechte Inhalte Warum wir rechten Content nicht teilen sollten
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- von Kathrin Behrens, Potsdam
Rechte Inhalte verbreiten sich aktuell immer rasanter in den sozialen Netzwerken – viele empören sich, zeigen ihre Anti-Haltung und ihre Abscheu. Doch während die provokativen Inhalte geteilt werden, um die eigene ablehnende Position zum Ausdruck zu bringen, vergrößert sich deren Reichweite. Mit jedem Klick nimmt die Sichtbarkeit zu, die eigentlich zurückgedrängt werden wollen. Macht das Sinn?

Wenn ich durch meine Social Media Feeds auf LinkedIn, Facebook oder Instagram scrolle, stoße ich in den letzten Wochen immer wieder auf dieselben Themen: Das Abschiebeticket ins sichere Herkunftsland, Alice Weidel und Elon Musk in allen Variationen. Auch wenn die Menschen in meiner Algorithmusblase die Inhalte meist kritisch bewerten, fördern sie ein beunruhigendes Phänomen: Jeder Like, Kommentar oder Share trägt zur Omnipräsenz rechter Akteure und ihrer Inhalte bei.
Das Abschiebeticket war ursprünglich eine regionale Aktion der AfD in Karlsruhe; durch den vielfältigen Internetaktivismus ist es mittlerweile bundesweit bekannt – Content Seeding at its best. Das dürfte im Interesse von AfD und Co. sein, denn die Reichweite, die wir damit schaffen, kostet andere Parteien sehr viel Geld.
Die Illusion der Negativität
Wir fluten das Internet mit toxischen Inhalten, auch wenn wir uns kritisch davon distanzieren. Es ist ein weitverbreiteter Glaube, dass negative Beiträge den betroffenen Personen oder Organisationen schaden. Das Gegenteil ist der Fall: Die Algorithmen der sozialen Medien belohnen Engagement. Statt rechte Hetze zu schwächen, befeuern wir sie. Weidel und ihre Entourage sind längst präsenter als die Vertreter der demokratischen Parteien.
Schlimmer noch: infolge der Dauerpräsenz rechtsextremer Narrative nehmen wir diese zunehmend als legitimen Teil des Diskurses wahr. Wir stumpfen ab, verschieben sukzessive unseren eigenen Wertehorizont oder verhärten in unserer immer aggressiveren Opposition. So wichtig es ist, unsere Empörung gegenüber den rechten Auswüchsen zu adressieren, so sehr müssen wir uns bewusst sein, was wir tun – wir tragen zur Normalisierung dieser Ansichten bei. Das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch gefährlich für die gesellschaftliche Debatte. Denn eine dauerhaft angeheizte Kommunikation führt dazu, dass gemäßigte Stimmen aus der Diskussion verschwinden. Wollen wir das?
Der Weg nach vorn: Proaktive Themen setzen
Mein Appell: Schluss damit! Es ist klüger, die demokratischen Kräfte mit positiven Aussagen zu stärken. Nutzen wir unsere Energie, um eigene Themen zu setzen und sinnstiftende Narrative zu fördern. Es gibt viele Herausforderungen in unserer Gesellschaft – vom Klimawandel über soziale Gerechtigkeit bis hin zu technologischen Innovationen – die Aufmerksamkeit benötigen. Wir sollten öfter über Lösungen und inspirierende Menschen sprechen, die Mut haben und Fortschritt wagen. So können wir Zuversicht und Fortschrittsoptimismus verbreiten. Letztlich können nur wir selbst uns aus der Negativspirale und dem rechten Magnetfeld befreien, indem wir konstruktiven Gesprächen anregen – immer mehr, immer öfter, jetzt!
Über die Autorin: Kathrin Behrens ist Expertin für strategische Kommunikation und Partnerin bei Elf vor Zwölf, einer Beratung für Company Building, Transformation und Zukunftsgestaltung in Hamburg. Als Trainerin und Coach für KB2 vermittelt sie Kernkompetenzen der Kommunikation und Strategie für Profis. Einzigartig sind ihre langfristigen Coachings und Mentorings für mittelständische Unternehmen mit kleinen Kommunikationsabteilungen.
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