Medien European Newspaper Congress: Optimistische Journalismus-Vordenker und Facebook-Kritik

Der „European Newspaper Congress“ stellt das Medium „Tageszeitung“ in den Mittelpunkt. Kleinkariert könnte man sagen, es mache heute wenig Sinn, sich bei einem Veranstaltungstitel derart zu beschränken, da Verlage längst Online-Nachrichtenportale betreiben oder sogar Dating- und Immobilienportale anbieten. Plattformübergreifend versuchen sie, Erlöse zu generieren. So waren die Themen deutlich breiter angelegt als es der Titel suggerierte. Der Kongress fand vom 21. bis 23. Mai im klassisch-schönen Rathaus in Wien statt.

Dicht gefüllte Reihen beim "European Newspaper Congress" 2017 im Wiener Rathaus.

Insgesamt blickten die Experten wie „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, “Bild“-Chef Julian Reichelt und Gruner+Jahr-Spitzenfrau Julia Jäkel zwar nachdenklich, aber trotzdem optimistisch in die mediale Zukunft und präsentierten den 500 Medienschaffenden – darunter zahlreiche Chefredakteure – auch für die PR einige interessante Gedankenmodelle.

Oberauer als Mahner

Oberauer Hans European NP Congress 2017Natürlich ging es auch um das große Ganze: um Fake News, Donald Trump, die notwendige Regulierung von Facebook, die Glaubwürdigkeit der Medien, ihre Zukunft sowie die Bedeutung von Journalismus für Gesellschaft und Demokratie. Als Mahner präsentierte sich insbesondere Verleger Johann Oberauer (Foto l.), dessen Medienfachverlag gemeinsam mit der Stadt Wien und dem Zeitungsdesigner Norbert Küpper die Veranstaltung organisierte. Er stellte in seiner Begrüßungsansprache die finanzielle Basis des Journalismus in den Mittelpunkt. „Selbstfinanzierter Journalismus wird im Internet die Ausnahme sein“, so seine pessimistische Folgerung. Das sei umso tragischer, da sich die Gatekeeper-Funktion der Medien keineswegs überlebt habe. „Es geht darum, durch Journalismus, einen intellektuellen und kommunikativen Rahmen für die Gesellschaft zu schaffen.“

Für Oberauer steht fest: „Facebook und Twitter sind Medien“, die entsprechend steuerlich mit den klassischen Medienhäusern gleichgestellt werden müssten – also in den Ländern, in denen die sozialen Netzwerke aktiv sind, überhaupt erst einmal Steuern zahlen sollten. Außerdem brachte der österreichische Verleger, der in Deutschland unter anderem „Kress Pro“, „Medium Magazin“ und den „PR Report“ herausgibt, eine „Meinungsbildungsabgabe“ mit einem Betrag von beispielsweise 350 Euro jährlich ins Spiel, über den Qualitätsjournalismus ähnlich wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit seinen Gebühren finanziert werden sollte. Wie „Qualitätsjournalismus“ definiert sein soll, wäre interessant gewesen zu erfahren. Im Übrigen machen eine Reihe von Verlagen bei allem Rumgejammer mit Zeitungen weiterhin Gewinne.

Politik als Inszenierung von Spin-Doktoren

Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bekannte sich in seiner Rede als Zeitungsfan und beklagte gleichzeitig, dass „Sachpolitik kaum noch eine Öffentlichkeit finde“. Reale Diskussionen um politische Inhalte würden zu wenig berücksichtigt. Es gehe ständig nur um die Pointe, den kurzfristigen Effekt. „95 Prozent der Politik sind Inszenierung“, sagte Kern. Dafür sind seiner Meinung nach vor allem Spin-Doktoren verantwortlich – also PR-Strategen, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Wie Oberauer ließ auch Kern durchblicken, dass die Intransparenz von Facebook und anderer sozialer Netzwerke so nicht weitergehen können.

Jaekel Julia European NP Congress 2017Verlagsmanagerin Julia Jäkel (Foto l.) brachte es mit Blick auf den Zuckerberg-Konzern in ihrem Vortrag auf dem Punkt: „Facebook braucht einen Verantwortungs-Booster.“ Giovanni di Lorenzo forderte die Journalistenkollegen in seiner Dinner-Keynote sogar auf, Facebook und Google sowie deren Geschäftsgebaren härter anzugreifen und zu hinterfragen. „Wir gehen zu zahm mit dem Silicon Valley um“, schlussfolgerte er. Wie soll man den finanzstarken Internet-Giganten beikommen? „Die Unternehmen haben eine Achillesverse: Ihr Image!“, so di Lorenzo. Ob jetzt der große Medienangriff gegen Facebook & Co. folgt, obwohl alle relevanten Medienverlage von der Reichweite der sozialen Netzwerke profitieren und direkt mit ihnen zusammenarbeiten, bleibt abzuwarten.

Print als hochwertiges journalistisches Umfeld

Insgesamt gab es in den Vorträgen einige Gedankenmodelle, die direkt PR und Advertising beeinflussen könnten. Tyler Brûlé – Gründer der insbesondere im angelsächsischen Raum starken High-Profile-Magazine „Wallpaper“ und „Monocle“ sowie legendärer „Financial-Times“-Kolumnist vertrat zum Beispiel die These „Print ist Premium“. Printmedien müssten dafür ihre Präsentation, ihren Verkauf und ihre Distribution deutlich exklusiver gestalten – weg vom Kiosk und hin zu Zeitungscafès mit ansprechendem Ambiente, in dem Leser gerne ihre Zeit verbringen – und natürlich ausführlicher und länger lesen. Zeitungen oder Magazine hätten das Potenzial, als Marken und intellektuelle Statussymbole vergleichbar mit modischen Accessoires zu fungieren, so Brûlé. Umso hochwertiger das Umfeld, desto besser für die in einem Medium vorkommenden Marken, bilanzierte er.

PR als Inhalte-Lieferant und Stichwortgeber würden damit aufgewertet. In „FAZ“, „Spiegel“, „Zeit“ oder „Süddeutscher Zeitung“ mit einer positiven Geschichte vorzukommen, würde wieder mehr zählen. Ein spannender Ansatz.

Von „Hochglanzrelevanz“ sprach denn auch Thomas Lindner, Vorsitzender der Geschäftsführung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Hintergrund: Die „FAZ“ hat vor kurzem die Publikation „Frankfurter Allgemeine Quarterly“ gelauncht, um Werbekunden ein neues hochwertiges Produkt zu bieten, aber auch um den eigenen aufgrund der sinkenden Auflage an der Zukunft ihrer Profession zweifelnden Journalisten eine zusätzliche Spielwiese zu bieten, wie Lindner überraschend offen erklärte. Optimismus wolle man mit dem Launch nach Innen und Außen ausstrahlen. Rund 200 Seiten ist das Magazin stark; 40 Anzeigenseiten pro Ausgabe – ein hochwertiges redaktionelles Umfeld, das es in dieser Form bei Online-Medien kaum geben könne, erklärte Lindner. „Es ist sehr schwer, digital zu glänzen.“

Im Rahmen der Abendveranstaltung wurden Preise an die besten Zeitungen des Jahres verliehen. Mit den Hauptpreisen „European Newspaper of the Year“ wurden folgende Titel ausgezeichnet:

  • Beste Lokalzeitung: „Hufvudstadsbladet“, Helsingfors, Finnland
  • Regionalzeitung: „Het Parool“, Amsterdam, Niederlande
  • Überregionale Zeitung: „Politiken“, Kopenhagen, Dänemark
  • Wochenzeitung: „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, Frankfurt am Main, Deutschland

Das Fachmagazin „Kress“ verlieh ebenfalls seine Awards: Die Leser wählten Giovanni di Lorenzo zum Chefredakteur des Jahres. Medienmanagerin des Jahres wurde Julia Jäkel und Petra Grotkamp von „Funke“ durfte sich über die Auszeichnung Verlegerin des Jahres freuen. Nora Beckershaus von „Refinery29“ wurde Newcomerin des Jahres.