Branche Interview mit PR-Jurymitglied H. Kempe: „Wer sich mit den Besten messen will, muss nach Cannes“

CannesFestival LogoKempe Henning GfFleishmanHillardDie diesjährige Bilanz zum Kreativitätsfestival in Cannes fällt aus deutscher Sicht mager aus (Siehe dazu den Bericht anderer Stelle im „PR-Journal“). Statt 74 Löwen im Vorjahr gewannen deutsche Teilnehmer 2016 über alle Disziplinen hinweg nur 64 Awards. Speziell in der PR-Kategorie gelangten nur acht deutsche Einreichungen auf die Shortlist, davon wurden zwei von der Jury mit einem bronzenen Löwen bedacht. Mit entschieden hat Hanning Kempe, CEO von FleishmanHillard in Deutschland. Zum ersten Mal war er in Cannes dabei. Im Interview mit dem „PR-Journal“ erklärt er, warum PR-Agenturen insgesamt mäßig abgeschnitten haben und warum es sich dennoch lohnt in Cannes dabei zu sein.

PR-Journal: Herr Kempe, als Mitglieder der Jury, haben Sie maßgeblich an der Vergabe der Cannes Lions in der PR-Kategorie mitgearbeitet. Wie bewerten Sie das Niveau der Einreichungen und Gewinner insgesamt?
Hanning Kempe: Von den zirka 2500 Einreichungen, die wir in Cannes in der PR-Kategprie bewertet haben, landeten knapp über zehn Prozent auf der Shortlist. Davon wiederum gewannen etwa 90 einen Löwen. Es waren also eine ganze Menge Arbeiten dabei, die zunächst auf der Strecke bleiben mussten, um am Ende die Spreu vom Weizen zu trennen. Was dann aber übrig bleibt ist schon die kreative Spitze der Industrie.

PR-Journal: Sie waren auch Jury-Mitglied beim Eurobest-Festival im Dezember 2015 in Antwerpen. Vergleichen Sie doch bitte einmal kurz beide Veranstaltungen. Was hat Sie in Cannes besonders angesprochen, was in Antwerpen?
Kempe: Dieses Jahr war ich das erste Mal überhaupt bei Festival in Cannes dabei. Und ich muss sagen: beeindruckend! Neben Location und Stimmung ist der Juryprozess ein absolutes Highlight. 25 Juroren aus der ganzen Welt verbringen sechs Tage (und gegen Ende auch Nächte) damit, die besten Arbeiten der Welt in unserer Industrie zu bewerten. Viel besser wird's einfach nicht. Die Qualität der Arbeiten ist in Antwerpen im Großen und Ganzen nicht schlechter. Eurobest ist einfach kleiner, intimer, weniger schrill und abgedreht. Zudem wechselt jährlich der Ort. Dadurch fehlt die über 63 Jahre aufgebaute Mystik der Location. Cannes ist einfach Cannes.

PR-Journal: Was nehmen Sie aus Cannes mit? Gibt es neue Entwicklungen in der Content-getriebenen Kommunikation, die wir noch nicht kennen?
Kempe: Aus meiner Sicht eindeutig nein. Alles schon diskutiert, analysiert. Überragend wichtig ist die Fähigkeit, Insights zu generieren und diese sehr kreativ direkt an die Zielgruppe zu spielen. Wer das nicht kann, gewinnt nichts.

PR-Journal: Kommen wir zum Abschneiden der deutschen Agenturen in der PR-Kategorie in Cannes in diesem Jahr. Acht Einreichungen aus Deutschland schafften es auf die Shortlist. Davon gewannen lediglich Jung von Matt mit Edeka (Home for Christmas) und BBDO mit dem Deutschen Caritasverband (Key of Hope) einen Bronze-Lion. Woran lag das?
Kempe: Die Kombi aus Insight, neuer, unverbrauchter kreativer Idee, Kanal-agnostischer Umsetzung und Ergebnis muss einfach stimmen – und da war Deutschland 2016 leider nicht stärker vertreten. Wenn ich die nationale Brille absetze, fällt vor allem auf, wie wenige Löwen die PR-Agenturen überhaupt gewonnen haben. Das sollten wir alle besser können. Egal aus welchem Land.

PR-Journal: 2014 reichte es für deutsche Einsender nur zu einem bronzenen Löwen in Cannes. 2015 waren es immerhin ein goldener, zwei silberne und zwei bronzene „Cannes Lions“. 2016 sind es wieder nur zwei bronzene Löwen. Nimmt man in der deutschen Kommunikations- und PR-Landschaft die Cannes Lions nicht ernst genug oder ist es umgekehrt und die deutschen Einreichungen werden in Cannes nicht ernst genug genommen?
Kempe: Deutschland wird in Cannes genauso ernst genommen wie alle anderen. Auch die Amerikaner, Engländer, also klassische PR-Länder, haben nicht überragend abgeschnitten. Die Konkurrenz ist groß. Schauen Sie sich an, welche überragende Qualität aus Lateinamerika, Osteuropa oder Skandinavien kommt. Zudem könnte die PR-Branche aus Deutschland insgesamt sicherlich stärker und organisierter vertreten sein. Das können andere besser.

PR-Journal: Letzte Frage: Warum lohnt es sich aus Ihrer Sicht dennoch für deutsche Agenturen in Cannes an den Start zu gehen?
Kempe: Wer sich mit den Besten messen will, muss nach Cannes. Ein Löwe ist Bestätigung, bringt Anerkennung, oft Bewunderung bei anderen aus der Branche. Die Zahl von Festivals und Preisen ist sicherlich inflationär. Gerade deshalb zählen für mich nur die wirklich großen. Und Cannes ist nun mal das größte.

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