Leserkommentare Leserbriefe zum komm.passion-Dossier Nr. 7/2017

Zum Artikel "komm.passion-Dossier 7/2017 zur Bundestagswahl: „Ein bisschen Macron“" von Alexander Güttler und Markus Gaier, Düsseldorf, erreichte uns ein inzwischen ausführlicher Leserbrief-Dialog. Auf das erste Schreiben des Journalisten Norbert Schulz-Bruhdoel, Remagen, entgegnete Alexander Güttler ausführlich und hob die Bedeutung der sozialen Medien noch einmal hervor. Die erneute Entgegnung Schulz-Brudoehl folgte sofort. Lesen Sie nachfolgend den Austausch zwischen Brudoehl und Güttler.

Antwort von Norbert Schulz-Brudoehl, Remagen, vom 31. August

Lieber Herr Dr. Güttler,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
Mir sind Ihre letzten Sätze wichtig. Sie weisen darin meinen Verdacht zurück, eine Auftragsstudie geliefert zu haben, und das freut mich sehr. Sie klären mich über die wachsende Bedeutung von "Social Media" auf; ich darf Ihnen aber versichern, dass dies nicht nötig ist und verweise auf mein gemeinsam mit Michael Bechtel verfasstes Buch "Medienarbeit 2.0", mit dem wir erstmals schon 2008 auf diese neuen Möglichkeiten hingewiesen haben.
Dennoch schätze ich die Beharrungskräfte einer alten politischen Kultur wie der französischen größer ein als die Aussagekraft von Tweets und Postings in facebook & Co. Was sichtbar wird, sind die Inszenierungen des französischen Präsidenten in den "sozialen" wie in den konventionellen Medien. 68.000 der 1,8 Millionen Macron-Fans auf
facebook stammen aus Deutschland? Hat irgendjemand geprüft, wieviele davon französisch verstehen, die Positionen Macrons kennen, auch die Kritik daran? Könnte es nicht sein, dass die "Fans" lediglich das nette Gesicht, die gute Frisur und die korrekt sitzenden Anzüge, vielleicht noch Macrons unkonventionelle Ehe "liken"? Bewerten die Spahn- oder Lindner-Fans ihre Lieblinge nach deren dynamischem Auftreten, ihrer stilisierten Jungenhaftigkeit - und wonach sonst? Wie zwingt man solch dünne (nicht einmal heiße) Luft zu einer seriösen, gut begründeten Aussage?
Tut mir leid, lieber Herr Dr. Güttler: Ich erkenne in Ihrer Methode keine Wissenschaft, gönne Ihnen aber gerne den kommerziellen Erfolg; die Dummen sterben nicht aus, damit habe ich leben gelernt.
Als ich vorgestern mit französischen Freunden, die hier in Deutschland leben, Ihre Macron/Spahn-Story besprach, wollte das Gelächter kein Ende nehmen; es ließ sich durch den Hinweis, auch Christian Lindner sei mit im Spiel, nur noch steigern.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Norbert Schulz-Bruhdoel, Remagen

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Entgegnung von Alexander Güttler vom 31. August

Lieber Herr Schulz-Bruhdoel,
vielen Dank, dass Sie sich so intensiv mit unserem aktuellen Dossier beschäftigt haben. Sie haben vollkommen Recht, in Frankreich ticken die Menschen anders als in Deutschland. Hier binden wir Sie mit ihrer Frankreich-Expertise bei weiteren Untersuchungen zum Nachbarland gern frühzeitig mit ein.
Wo wir nicht ganz mitgehen, ist das Herunterspielen der Bedeutung sozialer Medien. Sie spiegeln die Kernbotschaften innerhalb eines ganzheitlichen Kommunikationsansatzes bestens wider. Wenn Macron „private“ Bilder postet, dann geschieht das nicht etwa zufällig, sondern aus reiner Inszenierung. Soziale Medien wie Facebook sind nicht der einzige Kanal für Wahlen und für das Vermitteln politischer Botschaften, sicherlich, aber ein sehr wichtiger mit steigender Tendenz – und vor allem einer, der sich bestens aus wissenschaftlicher Sicht untersuchen lässt.
Und nicht mehr haben wir getan. Es ging uns darum, wie die deutschen Macron-Fans ticken, und von denen gibt es hierzulande eine Menge. Auf Facebook verschaffen sie sich Luft, unser wissenschaftlicher Ansatz zeigt Schnittmengen. Und diese bestehen am deutlichsten zu den Anhängern von Spahn und Lindner. Das kann und soll man gut oder schlecht finden. Auf jeden Fall soll man darüber diskutieren.
Danke, dass Sie sich daran beteiligen. Hätten wir das Ergebnis nur vorher gekannt. Dann hätten wir das Ganze der CDU anbieten können. Beim nächsten Mal nehmen wir diese Ihre Anregung gern auf. Denn unser PAS-Ansatz wird bereits von zahlreichen Konzernen, Initiativen und Unternehmen sehr geschätzt – und verschafft ihnen Einblicke, die sich mit klassischer Marktforschung nicht erreichen lassen.
Herzlichst, Ihr Prof. Dr. Alexander Güttler, CEO komm.passion, Düsseldorf

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Leserbrief von Norbert Schulz-Bruhdoel vom 28. August

Facebook ist nicht Frankreich, Spahn ist nicht Macron
Wer den Erfolg von Emmanuel Macron und die deutsche Politikszene miteinander in Beziehung setzt, sollte Frankreich ein wenig kennen - das Geschnatter in den "Sozialen Medien"  ist dabei wenig hilfreich. Wer Macrons Erfolg verstehen will, der muss sich mit so schwer übersetzbaren Begriffen wie "esprit" und "attitude" befassen, auch mit der völlig anders gearteten Art und Weise der Meinungsbildung in unserem Nachbarland.
Macron ist in eine große Leere gestoßen, die von den etablierten politischen Parteien hinterlassen wurde. Konservative, Liberale, Sozialisten, Kommunisten - alle haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten Schritt für Schritt selbst demontiert. Und Marine LePen mit ihrem Front National konnte nur bei einem knappen Drittel des Wahlvolks wildern, die Mehrheit ist nicht dumm genug, auf das national-populistische Gedröhn hereinzufallen. Ohne diesen Zerfall der etablierten Parteienordnung hätte Macron keine Chance gehabt.
Meinungsbildung erfolgt in Frankreich vorwiegend über das persönliche Gespräch - in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in Café und Bistrot. Zeitungen, Fernsehen ebenso wie die Online-Welten liefern dafür allenfalls Stoff und Anregungen. Diskussionen verlaufen offen, spitz und bissig - man sagt sich die Meinung und duldet, dass es andere gibt.
Eine solche Gesprächskultur gibt es in Deutschland nicht. Ähnliche Entwicklungen im Parteiengefüge gibt es ebensowenig. Der kurzfristige Hype um Martin Schulz zu Beginn des Jahres zeigt, dass selbst die SPD keineswegs ohne Hoffnung auf Erfolg agieren könnte, wenn ihre Granden sich nicht mit Hingabe wechselseitig in die Knie treten würden. Die AfD hat erkennbar ihre besten Zeiten hinter sich, eine Spitzenfigur wie Marine LePen ist nicht erkennbar. Und das Wiedererstarken der FDP zeigt ebenso, dass in Deutschland das hergebrachte Parteiengefüge noch voller Lebenskraft ist.
Wenn es Parallelen zum Aufstieg Emmanuel Macrons gibt, dann ist es der Durchmarsch von Sebastian Kurz ins österreichische Kanzleramt. Aber der wird ja nicht hierzulande gewählt und war den komm.passion-Leuten im deutschen Wahlkampf wohl unwichtig. Ich lese den Artikel als eine große Freundlichkeit gegenüber Jens Spahn. Dieser ehrgeizige Mann aus dem Münsterland hat mit Emmanuel Macron aber ungefähr soviel gemeinsam wie Champagner mit Altbier. Mir stellt sich die Frage, wer die Studie von Güttler & Gaier in Auftrag gegeben hat. War das vielleicht der NRW-Landesverband der CDU? Oder Jens Spahn selbst? Er investiert ja gerne in Zukunftsprojekte, wie wir seit Kurzem wissen.
Norbert Schulz-Bruhdoel, Journalist, Remagen

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