Frank Brettschneider bei der Analyse des TV-Duells zur letzten Bundestagswahl 2013 (Bildquelle: Universität Hohenheim / Helge Fuss)

Heute: TV-Duell

Einen harten Schlagabtausch erwarten die Experten in diesem Jahr nicht. Das TV-Duell Angela Merkel gegen Martin Schulz am 3. September dürfte kaum für Überraschungen sorgen. Das ist die Einschätzung von Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider, Professor an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Schließlich kämen beide Kontrahenten aus der Großen Koalition, was Kritik aneinander deutlich erschwere.

Am 3. September ist es soweit. Dann treffen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Martin Schulz (SPD) zum schon traditionellen TV-Duell vor der Bundestagswahl. Brettschneider erwartet von dem TV-Duell „nicht sehr viel Überraschendes“. Er ist überzeugt: „Angela Merkel kennen wir sehr gut. Wir wissen, wie sie sich in TV-Duellen verhält und auf welche Themen sie setzen wird.“

Auch Herausforderer Martin Schulz sei kein Unbekannter, stellt der Professor fest. „Erst 2014 hat er sich mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker ein TV-Duell zur Europa-Wahl 2014 geliefert. Merkel und Schulz können bei ihrem Duell keine fundamentale Kritik aneinander üben, weil sie beide aus der Großen Koalition kommen. Ich vermute, dass das kein richtiger Schlagabtausch wird, sondern eher eine Orientierungshilfe für unentschiedene Wähler.“

Was ist das Besondere an TV-Duellen?

Brettschneider: „TV-Duelle sind eines der wichtigsten Ereignisse in modernen Medienwahlkämpfen. In Bundestagswahlkämpfen haben sich TV-Duelle zwischen den Spitzenkandidaten inzwischen fest etabliert. Sie erreichen zahlreiche Wahlberechtigte. Beim letzten TV-Duell zur Bundestagswahl 2013 waren es über die vier Sender ARD, ZDF, RTL und SAT.1 hinweg insgesamt 17,6 Millionen Zuschauer. TV-Duelle können sich auf das Wissen, die Einstellungen und unter Umständen auch auf die Wahlabsicht der Wählerinnen und Wähler auswirken.“

Wie wichtig sind TV-Duelle im Wahlkampf?

Brettschneider: „In TV-Duellen findet der Wahlkampf wie unter einem Brennglas statt. Kein anderes einzelnes Ereignis im Wahlkampf erreicht so viele Menschen wie das TV-Duell zwischen den Spitzenkandidaten um die Position des Regierungschefs. Keine andere Plattform bietet den Spitzenkandidaten eine solch herausragende Kommunikationschance. Sie können auf diesem Weg Anhänger mobilisieren und Unentschiedene von sich überzeugen.“

Wer schaut TV-Duelle?

Brettschneider: „Neben den politisch Interessierten und den Parteianhängern werden TV-Duelle auch von denjenigen Wählerinnen und Wählern wahrgenommen, die über geringeres politisches Interesse und Wissen verfügen und die sich seltener aus anderen Quellen über Politik informieren. Oft setzen sie sich durch das TV-Duell zum ersten Mal intensiv mit den unterschiedlichen Positionen der Parteien auseinander.“

Und was bewirken TV-Duelle?

Brettschneider: „Die Wirkung hängt vom Verlauf des Duells und von den Voreinstellungen der Zuschauer ab. Diejenigen Zuschauer, die parteipolitisch weitgehend festgelegt sind, ändern ihre Meinung aufgrund des TV-Duells in der Regel nicht. Im Gegenteil: Sie nehmen das Geschehen durch ihre parteipolitische Brille wahr und werden in ihren Auffassungen sogar noch bestärkt.

Die unentschiedenen Wählerinnen und Wähler hingegen können durch TV-Duelle leichter beeinflusst werden. Sie orientieren sich dann in erster Linie an der wahrgenommenen Problemlösekompetenz der Kandidaten sowie an deren Führungsstärke und an ihrer Vertrauenswürdigkeit.“

Die Wirkungen auf die Bewertung der Kandidaten sind also am größten?

Brettschneider: „Ja. Den Spitzenkandidaten kommt als Gesicht und Stimme ihrer Parteien eine besondere Bedeutung bei der Vermittlung von Themen und politischen Positionen zu. Die stärksten Effekte des TV-Duells zeigen sich bei den Kandidatenimages und bei der Bewertung der Kandidaten.

Die Partei-Bewertungen werden hingegen vom Debattenverlauf weniger beeinflusst. Das Gleiche gilt für die Wahlabsicht. Aber bei einem knappen Wahlausgang kann ein TV-Duell durchaus die Wahl entscheiden – wie viele andere Faktoren auch.“

Welche Debatten-Aussagen wirken am besten?

Brettschneider: „Allgemeine, wertbezogene Aussagen sowie emotionale Appelle der Debatten-Teilnehmer lösen bei den Zuschauern über die Parteigrenzen hinweg die größte Zustimmung aus. Das Gleiche gilt für Allgemeinplätze wie ‚Leistung muss sich lohnen‘ oder ‚Bildung darf nicht von der Herkunft abhängen‘. Angriffe auf den politischen Gegner polarisieren hingegen meistens. Die Angriffsstrategie kann sich aber auch gegen den Angreifenden selbst wenden – wenn er überzieht.“

Wird Martin Schulz im TV-Duell Angela Merkel unter Druck setzen können?

Brettschneider: „Das wird er versuchen. Aber das wird sehr schwer. Er kann die Politik der Großen Koalition nicht wirklich hart kritisieren, weil seine eigene Partei daran mitgewirkt hat. Schulz hat somit kaum Ansatzpunkte. Er wird deutlich machen müssen, dass sich aus seiner Sicht in Deutschland etwas ändern muss. Viele Menschen wollen aber gar nicht, dass sich etwas Grundlegendes ändert. Wir können also eine Neuauflage von Merkels ‚Sie kennen mich‘ aus dem letzten TV-Duell erwarten. Wahrscheinlich wird eher Schulz unter Druck geraten, wenn es darum geht, mit welchen Koalitionspartnern er seine Positionen nach der Wahl realisieren will – Stichwort rot-rot-grün.“

Hintergrund: TV-Duell-Studien 2009 und 2013 an der Universität Hohenheim

Der Kommunikationswissenschaftler Brettschneider und sein Team haben bei den letzten beiden Bundestagswahlen mit einem sehr aufwändigen Verfahren die Wahrnehmungen und die Wirkungen von TV-Duellen untersucht. Das Kernstück der Untersuchungen bildete eine Live-Messung mit 220 Probanden. Sie haben während des Betrachtens des TV-Duells mittels Drehreglern ihre Zustimmung beziehungsweise Ablehnung ausgedrückt. So wurde sekundengenau erfasst, welcher Diskutant von welchen Personengruppen wie bewertet wurde. Hinzu kam eine Befragung der Zuschauer direkt vor und direkt nach dem TV-Duell. Durch die Verknüpfung mit der Live-Messung ließ sich feststellen, wie sich die Wahrnehmung des TV-Duells unmittelbar auf die Bewertung der Kandidaten und auf die Wahlabsicht auswirkte.


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