Rezensionen Rezension: „Meinung Macht Manipulation“ - Medienkunde mit mittlerem Tiefgang

BuchCover Meinung Macht ManipulationMichael Steinbrecher ist eines der bekanntesten TV-Gesichter Deutschlands. Wer im „ZDF“ fast zwei Jahrzehnte von Fußball-Weltmeisterschaften und -Europameisterschaften, Olympischen Spielen und Länderspielen berichtet hat, den kennt man. Im „SWR“ moderiert er die Talkrunde „Nachtcafé.“ Was eher Wenige wissen dürften, ist die Tatsache, dass Steinbrecher Journalismus und Kommunikationswissenschaften auch theoretisch analysiert – als Professor für Fernseh- und Crossmedialen Journalismus am Institut für Journalistik der TU Dortmund.

Gemeinsam mit seinem Professorenkollegen Günther Rager hat Steinbrecher Anfang März das Buch „Meinung Macht Manipulation. Journalismus auf dem Prüfstand“ herausgegeben. Es fast die aktuelle Diskussion um die Qualität von Medien zusammen.

Steinbrecher MichaelRager GuentherDen Großteil der 240 Seiten haben nicht Steinbrecher (Foto li.) und Rager (Foto re.) selbst geschrieben, sondern 14 junge Journalisten – alle volontiert, alle mit praktischer Berufserfahrung und alle mit einem abgeschlossenen Journalistik-Studium ausgestattet. Es sind also diejenigen Journalisten, die bereits bei ihrem Berufseinstieg der gesamten Bandbreite der Mediendebatte und -problematik ausgesetzt sind: Dem infamen „Lügenpresse“-Vorwurf und einem gesunkenen Ansehen ihres Berufsstandes. Verlagen und TV-Sendern, die nach Lösungen suchen im digitalen Wettlauf um die schnellste Nachricht – und zusätzlich einer unsicheren wirtschaftlichen Situation entgegensehen. Das Buch solle jungen Journalistinnen und Journalisten eine Stimme geben, so die Herausgeber in ihrem Vorwort.

Zum Inhalt: Zu den positiven Seiten gehört, dass die Themen brandaktuell sind; sogar noch Ereignisse aus dem Januar 2017 werden berücksichtigt. Es ist verständlich geschrieben, praxisnah und mit vielen Beispielen über die teilweise zurecht kritisierte Medienberichterstattung angereichert. Überschriften wie „Das Ende“ („Handelsblatt“), „Böser neuer Nachbar“ oder „Wir hatten noch nie so viel Angst“ (jeweils „Spiegel Online“) werden exemplarisch für die aus Sicht einer Autorin auf Übertreibung und Skandalisierung angelegte Berichterstattung selbst seriöser Medien zur Wahl Donald Trumps aufgeführt. Es wird detailliert analysiert, mit welchen PR-Techniken die AfD um Frauke Petry und Alexander Gauland Medienaufmerksamkeit erlangt: provozieren, zurückrudern, relativieren. Auch gibt es Rückblicke wie den, als „ZDF“-Journalistin Bettina Schausten nach einer Wahl ein Interview mit einem NPD-Kandidaten abrupt abbricht, weil ihr dessen Parolen zu weit gehen. Der Leser ist am Ende des Buches deutlich medienkundiger als vorher.

Problem erkannt. Und nun?

Leider bietet das Buch an recht wenigen Stellen Lösungen an, wie sich Medien, Journalisten beziehungsweise Leser und Zuschauer eigentlich verhalten sollen – vielleicht ist das auch eine vermessene Erwartungshaltung an Berufseinsteiger-Journalisten, wenn selbst erfahrene Verlagsmanager und Chefredakteure verzweifelt seit Jahrzehnten nach genau diesen Antworten suchen.

Ja, die Medien gehen der AfD und anderen Populisten auf dem Leim, aber wie sollen sie sich stattdessen verhalten? Beschrieben wird das Clickbaiting in sozialen Netzwerken vonseiten einiger Medien. Eine TV-Zeitschrift habe auf Facebook Aufmerksamkeit erhaschen wollen, indem User aus vier Fotos von bekannten Moderatoren das Bild desjenigen auswählen sollten, der an Krebs erkrankt ist. Ohne Frage niveaulos. Aber wie sollen sich Medien in sozialen Netzwerken präsentieren, wenn Unternehmen, Celebrities, Sportvereine und die Politik ebenfalls Content ohne Ende produzieren? Leise, seriös, ganz auf soziale Netzwerke verzichten? Einige Antworten bleibt das Buch schuldig.

Das stärkste Kapitel beschreibt Ansätze, wie Medien ihre Glaubwürdigkeit wiedererlangen könnten: Menschen erklären, wie Journalisten arbeiten. Kritiker zur Diskussion einladen, Recherchewege aufzeigen, mit Leser-Chats Kontakt zu Redakteuren herstellen und Redaktionskonferenzen live übertragen – hier gibt es ein ganzes Maßnahmenbündel. Dies könne nur ein Anfang sein, folgert Kapitelautorin Marieluise Denecke: Es müsse eine „Kultur der Transparenz“ geschaffen werden.

Titel: „Meinung Macht Manipulation. Journalismus auf dem Prüfstand.“ Michael Steinbrecher, Günther Rager (HG.) Westend Verlag 2017. ISBN: 9783864891656. 240 Seiten.

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