Autoren-Beiträge Das „Trump-Drama“. Eine xxx-Analyse

Wie konnte es passieren, dass mit Donald Trump in Amerika, in der Wiege der Demokratie, ein Mann Präsident werden konnte, den postfaktisch keiner haben wollte? Und: Ist dies anderenorts – Deutschland steht vor Bundestagswahlen – kopier- und damit wiederholbar? Zur Beantwortung dieser Fragen drängen sich aus Sicht von Stefanie Aufleger drei Antworten auf. Die Autorin ist Unternehmerin, PR-Beraterin (DPRG), Journalistin, Dozentin und als Buchautorin verfügt sie über langjährige Erfahrungswerte in der strategischen Managementberatung.

Stefanie Aufleger analysiert das Trump-Drama

Das erste Phänomen: Menschen sind manipulierbar, wie wir schon lange aus der Gehirnforschung wissen. Trumps PR-Strategen haben hier gut aufgepasst. Der Wahlerfolg ist in erster Linie ein Manipulationserfolg der Trump-Kommunikatoren. Menschen entscheiden zunächst nicht rational, sondern emotional. Das menschliche Gehirn gliedert sich – vereinfacht ausgedrückt – in drei Bereiche. Das Stammhirn, evolutionsgeschichtlich ältester Teil unseres Gehirns: Dort sind unsere Urinstinkte gespeichert. Sinnesreize aktiviert die Stammhirnzentrale, die im Bruchteil einer Sekunde prüft: Muss ich kämpfen, flüchten, mich totstellen – oder kann ich mich entspannen. Je nach Urteil wird der Reiz ans Zwischenhirn weitergeleitet oder nicht. Im Zwischenhirn sitzen unsere Emotionen: Wut, Trauer, Angst, Freude, Sorge, Euphorie usw. Erst danach kann sich die Schleuse zum Großhirn, dem jüngsten Teil unseres Gehirns, öffnen, das die Möglichkeit zu nüchterner rationaler Entscheidung liefert (Sawetz, 2015).

Trumps ausgefuchste PR-Strategie

Wird die US-Wahl entsprechend der Logik unseres Gehirns betrachtet, wer hat dann Trump ins Weiße Haus gewählt? Richtig: Es war keine Großhirn-Entscheidung. Die PR-Strategen haben es umgangen und dies für ihre Zwecke genutzt. Das Trump-Rezept: Man nehme einen Protagonisten, der über ein großes Irritationspotential verfügt – laut, schrill. Das Stammhirn erhält eine große Ladung an Sinnesreizen, die es emotional abprüft. Große Irritation erhöht dabei die Aufmerksamkeit, das Gehirn hat Stress und braucht mehr Energie, um damit klar zu kommen. Die Formel ist einfach: Je mehr Emotionen ein Protagonist hervorruft, desto größer ist die Aufmerksamkeit für ihn und desto mehr emotional geprägte Spuren hinterlässt er in der Denkwelt.

Die Trump-Strategen haben mit einer ganzen Klaviatur von Sinneseindrücken gespielt. Sie konnten selbst diejenigen Männer und Frauen erreichen, für die Trump zu Beginn keine Option war, denn sie setzten beim ureigensten aller Triebe an: beim Sexualtrieb. Beim Kampagnen-Stichwort "grab them by the pussy" schien klar: Das geht jetzt wirklich zu weit! Ein Mann mit einem derartigen Frauenbild ist nicht wählbar! Umfrageergebnisse zeigten jedoch ein gegenteiliges Bild. Die Zustimmung zu Trump wuchs! Vor allem, als die betroffenen Frauen gezeigt wurden: alles Models, eine schöner als die andere. Dachte da nicht manches Zwischenhirn: „Bei der Lady hätte ich auch zugepackt?"

Die Menschen werden immer dümmer

Das zweite Phänomen: Wir werden immer dümmer. Die Wissenschaft kennt hierzu den Knowledge-Gap, die Wissenskluft-Hypothese: Die Kluft zwischen denjenigen mit einem breiten und denjenigen mit einem niederen Bildungsstand wird immer größer. Mit unserem Gehirn ist es dabei wie mit einem Muskel: Wird es nicht kontinuierlich gefordert, baut unsere Gehirnleistung als Folge von Energieeffizienz schlichtweg ab (Kubicek & Welling, 2000). Das moderne Medien-Nutzungsverhalten begünstigt dieses Phänomen. 140-Zeichen lange Kurznachrichten, Chat-Kommunikation mit Emoticons und Gefällt-mir-Buttons sind wenig anspruchsvoll, verbrauchen wenig Gehirnkapazität. Wer viel in den sozialen Medien unterwegs ist und nach längerer Zeit wieder mal einen mehrseitigen Fachartikel lesen möchte, kennt dies: Er wird seine Schwierigkeiten haben, denn das Gehirn ist diese Form der Konzentration nicht mehr gewohnt, die Lektüre wird zur Anstrengung.      

Vogel-Strauß-Taktik ebnet den Weg

Das dritte Phänomen: Kognitive Dissonanz – eigentlich ein alter Hut in der Sozialpsychologie (Festinger, 1957): Menschen suchen nach den Argumenten, die ihrer Vorstellung entsprechen und sie in ihrem Denken bestätigen – unabhängig von der Faktenlage. Die objektive Wahrnehmung wird außer Kraft gesetzt. „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“, das war die innere Haltung der Wahlkampf-Beobachter. Die Menschen selbst bewegten sich in ihrer „Bubble“, dem Kreis ihrer Social-Media-Freunde, mit denen sie ihre Meinung teilen. Dass die eigene „Bubble“ nicht objektiv sein und somit keine "reale Wirklichkeit" abbilden kann, wird dabei nicht gesehen, zumal Google dies noch zu bestätigen scheint, zeigt es uns doch die Suchresultate an, die es der jeweiligen CyberHistorie entsprechend für relevant hält. Da, wo dies nicht durch Nachrichtenmedien kompensiert wird, geht der Zugang zu allem Anderen, dem vermeintlich Fremden mehr und mehr verloren und damit die Urteilskraft, weil Entscheidungen nur noch auf einer schmalen Basis stehen.        

Die drei Ansätze eröffnen einen Zugang zum Trump-Drama: Emotional adressieren und irritieren, dabei aktiv auf bestehende Wissensklüfte setzen und postfaktisch ausnutzen und dies in der Verinselung der sozialen Medienwelt – auch Trumps fortlaufende Diffamierung seriöser Nachrichtenmedien macht in diesem Sinne einen Sinn: Sie sind sein Feind, weil sie für die Anti-Strategie stehen: Rationalität statt Emotionalität, Überbrückung als Ausgleich von Wissensklüften und Vergesellschaftung statt Verinselung.

Fazit: Es scheint utopisch zu glauben, wir könnten uns den genannten Einflüssen entziehen und nur „vernünftige“ Entscheidungen treffen. Unsere Entscheidungen werden immer von Trieben und Emotionen gefiltert und gesteuert. Diesen Effekt nutzen Medien und Kommunikationsexperten: Sie manipulieren uns gezielt und bewusst. Und genau hier ist ein Ansatzpunkt: Sensibel sein und Hinschauen, um Zeichen bewusster Manipulation frühzeitig zu erkennen. Eine lautstarke Menschenmasse, die in Sprechchören „Volksverräter! Lügenpresse!“ skandiert, ist auf direktem Durchmarsch in unser Zwischenhirn, um sich dort einzunisten. Kurzer Check: Welche Emotion wird bei mir wachgerufen? Wer hat Interesse daran, dass ich in diesen Gefühlszustand versetzt werde? Bewusst hinschauen – das ist de facto der Schluss, der dem Trump-Drama gezogen werden kann und sollte! Dann haben wir auch wieder eine echte Wahl und müssen nicht postfaktisch bejammern, dass wir versehentlich unsere Demokratie verspielt haben.

Über die Autorin: Stefanie Aufleger ist Unternehmensberaterin, Journalistin und Hochschuldozentin zu den Themenbereichen Wirtschaft, Medien und Kommunikationswissenschaft in der Region DACH. 2001 gründete sie die Agentur Steauf in Konstanz am Bodensee.

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