Hoffmann Kerstin BuchautorinAutorenbeitrag von Kerstin Hoffmann (Foto) über den Spagat zwischen privater und professioneller Präsenz in Social Media

In Zeiten steigender Informationsfluten brauchen Marken, um sichtbar zu bleiben und sich mit ihren Inhalten durchzusetzen, echte Beziehungen zu ihren verschiedenen Bezugsgruppen. Sie müssen dort in Gespräche eintreten, wo über ihre Themen, Fachgebiete und über sie selbst gesprochen wird. Das wiederum gelingt nur dann, wenn sich Menschen mit anderen Menschen austauschen, sprich: Jedes Unternehmen braucht wiedererkennbare Gesichter von echten Personen, die für die Marke stehen und für sie sprechen.
Spätestens dann, wenn sich jemand zum ersten Mal in einem sozialen Netzwerk als Firmenangehöriger zu erkennen gibt, stellt sich aber zugleich die Frage: „Wie privat kann ich überhaupt im Netz bleiben?“

Viele haben bereits zahlreiche private Kontakte, etwa auf Facebook, und fragen sich umgekehrt: „Wieviel Berufliches kann ich meinen Freunden und meiner Familie zumuten?“ Fast jeder Berufstätige, so gut wie jeder Selbstständige und erst recht jeder Kommunikationsprofi gelangen eher früher als später im Web an Schnittstellen zwischen verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereichen.

Wenn die Welten sich zu vermischen beginnen ...

Oft geschieht dies schleichend: über den halb privaten Facebook-Kontakt zu einer Arbeitskollegin oder weil man über Bekannte von einem Stellenangebot erfahren hat. Doch dann kommt womöglich auf Facebook eine Kontaktanfrage vom Chef, oder ein Kunde des eigenen Arbeitgebers entdeckt das Profil. Es wird immer schwieriger, hier klare Trennungen zu vollziehen – und aus Kommunikationssicht ist das auch in den meisten Fällen gar nicht sinnvoll.

Schließlich sind wir seit jeher auch der sogenannten „physischen“ Welt als ganze Menschen unterwegs. Hier haben die meisten von uns längst ein gutes Gefühl dafür entwickelt, welche Äußerungen und welches Verhalten in welchem Kontext angemessen sind. So wird man in einem privaten Treffen anders über Berufliches sprechen als auf einem Fachkongress – und umgekehrt. Doch in den für viele noch relativ neuen digitalen Medien müssen wir oft erst lernen, unseren gesunden Menschenverstand ebenso anzuwenden.

Gerade Kommunikationsprofis in Unternehmen und Agenturen sind daher herausgefordert, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen sowie anderen zu helfen, ihr digitales Profil zu schärfen und die richtige Balance zu finden. Dabei gilt es einiges zu bedenken.

Bitte keine Verwirrung stiften!

Solange wir uns in der definierten professionellen Welt eines Business-Netzwerkes wie XING oder LinkedIn befinden, sind die Grenzen klar abgesteckt. Doch was ist, wenn wir in einem sozialen Netzwerk wie Facebook zunächst privat unterwegs waren und jetzt auch die Sichtbarkeit als Markenbotschafter erhöhen wollen? In diesem Moment ist es mit der Privatheit oder gar Anonymität vorbei.

Also legen viele Mitarbeiter sich ein privates Profil für Freunde und Familie zu, oft eben mit einem falschen oder abgekürzten Namen. Oder sie behalten für diesen Zweck ihr privates Konto und richten sich für die berufliche Nutzung dann einen zweiten Account ein. Selbst auf der Führungsebene in den Kommunikationsabteilungen großer Konzerne sowie bei Profis in Agenturen beobachte ich so etwas immer noch.

Abgesehen davon, dass eine solche Vorgehensweise den Nutzungsregeln widerspricht und sich auch in der Handhabung schnell als mühsam erweist: Dass sie auf Dauer nicht funktionieren kann, müsste eigentlich auch hier schon der gesunde Menschenverstand sagen. Früher oder später wird der eine oder andere Kontakt doppelt angenommen. Dann schlägt der Algorithmus zu und macht auch anderen Freundschaftsvorschläge für dieses Profil, die zur jeweils anderen Gruppe gehören. Schnell kommt der Verdacht eines von Dritten kopierten Fake-Profils auf. Irgendwann sind alle verwirrt.

Gemeinsam engagieren statt anordnen

Warum aber sollte ein Mitarbeiter für den Arbeitgeber den (vermeintlich) geschützten Raum der Social Media-Privatheit aufgeben? Der Einzelne wird sich nur dann als sichtbarer Markenbotschafter engagieren, wenn seinem Empfinden nach die persönlichen Vorteile etwaige befürchtete Nachteile überwiegen. Der Mitarbeiter könnte im Netz Äußerungen tätigen, die auf ihn selbst zurückfallen und seinen Arbeitsplatz gefährden.

Ebenso könnten umgekehrt Unternehmenskrisen oder unpopuläre Äußerungen über den Arbeitgeber beziehungsweise von diesem selbst den Mitarbeiter in den Augen seiner Freunde zu einer Rechtfertigung nötigen. Er befindet sich plötzlich an einer Schnittstelle zwischen dem eigenen Unternehmen und einer Teilöffentlichkeit, die ihm eine Sprecher-Position aufdrängen möchte. In einem solchen Fall nicht unbedacht etwas zu sagen, erfordert eine erhebliche persönliche Kommunikationskompetenz.

Den einzelnen Mitarbeiter nicht alleinlassen

Der einzelne Mitarbeiter darf daher mit den Aspekten seiner Markenbotschafter-Persönlichkeit nicht allein gelassen werden. Es muss klare Regelungen geben, vor allem aber möglichst klare Strukturen in Sachen Unterstützung, Feedback und Zuständigkeiten, wenn Nachfragen oder Probleme auftreten.

Lotsen in der Informationsflut CoverWenn sie sorgfältig geplant und umgesetzt wird, kann eine Markenbotschafter-Strategie beiden Seiten – Marke und Botschafter – großen Nutzen bringen. Das Gleichgewicht zwischen Privatheit und Öffentlichkeit jedoch muss jeder und jede Einzelne immer neu für sich ausloten. Hier gibt es keine pauschalen Lösungen und, wie schon immer in der physischen Welt, keine vollständige Sicherheit und keine Garantie für Fehlerfreiheit. Wenn alle Beteiligten dies akzeptieren und einander gegenseitig unterstützen, wird sich der digitale Menschenverstand mit wachsender Erfahrung ganz von selbst weiterentwickeln. Vermutlich werden wir solche Probleme und Fragestellungen wie die hier beschriebenen in einigen Jahren kaum noch nachvollziehen können. Dafür werden sich dann neue Herausforderungen stellen, auch und gerade, was die Sichtbarkeit von Unternehmen im Web angeht.

Über diesen Beitrag: Der Artikel basiert auf einem Kapitel aus dem Buch „Lotsen in der Informationsflut. Erfolgreiche Kommunikationsstrategien mit starken Markenbotschaftern aus dem Unternehmen“. Mehr über das Buch erfahren Sie im „PR-Journal“ und auf der Website zum Buch.

Über die Autorin: Dr. Kerstin Hoffmann ist Kommunikationsberaterin, Vortragsrednerin und Buchautorin. Sie berät und begleitet Unternehmen sowie Organisationen in Kommunikations- und Contentstrategien. Ihr Blog „PR-Doktor“ gehört zu den bekanntesten deutschen Blogs der Branche. Die promovierte Germanistin lehrt an einer deutschen Universität.


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