Autoren-Beiträge Autorenbeitrag: Schluss mit der Nabelschau

Kommunikatoren und Content-Marketer müssen sich wieder auf die Zielgruppe konzentrieren

Berry Paul RebelMouseWebsite, Blog, Twitter-Kanal – so oder so ähnlich lautet in vielen Unternehmen immer noch die heilige Dreifaltigkeit der Kommunikation. Und sie haben etwas gemeinsam: sie drehen sich hauptsächlich um das Unternehmen. Dort werden Pressemitteilungen und Produkt-Ankündigen veröffentlicht, Whitepaper und Events beworben oder Branchen-News geteilt – alles in der Hoffnung, dass etwas davon von den Medien oder gar direkt von einem sogenannten Influencer aufgegriffen und verbreitet wird. Meist mit mäßigem Erfolg, wenn überhaupt. Warum ist das so? Weil viele Kommunikatoren sich bei ihrer eigenen Nabelschau immer noch sehr wohlfühlen. Sie lassen sich von der Frage leiten „Was will ich wann und wo an welche Zielgruppe ausstreuen?“ Diese Frage interessiert die Zielgruppe aber herzlich wenig. Sie warten nicht darauf, dass auf irgendeinem Blog oder einem News-Portal vielleicht Inhalte veröffentlicht werden, die sie interessieren könnten.

Die Evolution der sozialen Netzwerke in der jüngsten Vergangenheit macht die Zielgruppe mündiger und autonomer als je zuvor. Menschen bewegen und informieren sich in einem von ihnen selbst geschaffenen Umfeld, sie kuratieren und filtern die überwältigende Vielzahl an Inhalten nach ihren Vorlieben und verlassen diese Blase nur höchst ungern. Und diese Entwicklung wird sich noch weiter intensivieren. Die Frage, die sich Kommunikatoren also im neuen Jahr stellen sollten – nein müssen – wenn sie ihre Inhalte erfolgreich an den Mann bringen wollen, lautet: „Wo und in welcher Form will die Zielgruppe welche Informationen erhalten?“

Der Berg muss zu Propheten

Die sozialen Medien sind die einzigen Orte im Netz, in denen Public Relations heute tatsächlich wirksam betrieben werden kann. Homepage, Blog, klassisches Fachmedium – sie warten alle darauf, gefunden zu werden, aber die Zielgruppe will nicht mehr suchen. Also muss der Content zu ihnen kommen. Der Aufbruch nach Twitter, Facebook und Co., den einige Unternehmen unternommen haben, hatte zwar die richtige Intention, ist aber in der Durchführung mangelhaft. Meist sind die Posts platte Werbebotschaften der verlinken auf Inhalte außerhalb des jeweiligen Kanals. Aber, wie gesagt, niemand will seine Komfortzone verlassen. Die Klickraten auf externe Links werden immer niedriger.

Was Kommunikatoren also dringend beherzigen müssen, wenn sie relevant bleiben oder werden wollen, ist die Verwendung von nativem Content – Facebook Instant Articles zum Beispiel. Hier müssen User ihr heißgeliebtes Netzwerk nicht mehr verlassen, sondern können die Inhalte unmittelbar eingebettet konsumieren.

Im Grunde sind wir alle faul

Und da wir schon bei neuen Medienformaten sind – schmissige Texte alleine holen heute niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Klar ist der Inhalt wichtiger denn je, aber die Verpackung muss dem Zeitgeist entsprechen. Wenn man durch seinen Twitter-Feed oder Facebook-Chronik scrollt, will man den Content sofort und mit so wenig Aufwand wie möglich. Und genau das müssen sich Kommunikatoren in Zukunft zunutze machen.

Der gute alte Text wurde zuerst von der Slideshow abgelöst. Dort waren zwar die Informationen schön aufbereitet, aber man musste immer noch durchklicken. Dann kam das Listicle, also knappe Informationshappen, Bilder, GIFs etc. untereinander gelistet. Das Klicken wurde durch das schnellere und einfachere Scrollen ersetzt. Der nächste Schritt ist das lesbare Video. Kurze Spots, die ihren Inhalt über mit geschriebenem Text unterlegtem Videomaterial transportieren. Mit der Autoplay-Funktion in den meisten Sozialen Netzwerken ist der Aufwand für den Nutzer praktisch nicht mehr vorhanden. Sobald ein Video in der Chronik auftaucht wird es abgespielt, fertig. Durch den eingebauten Text muss nicht einmal der Ton angestellt werden.

Kommunikatoren müssen also medial umdenken und sich diesem und kommenden Content-Trends schnell zuwenden, wenn sie ihre Zielgruppe erreichen wollen.

Mit zweierlei Maß

Nachdem wir Orte und Formate besprochen haben, bleibt noch der Inhalt, bei dem eine neue Perspektive eingenommen werden muss. Es mag mächtig am Stolz vieler Kommunikatoren kratzen, aber was sie im Detail zu sagen haben, spielt keine allzu große Rolle mehr. Um eine merkliche Rolle bei der Zielgruppe zu spielen, muss der Inhalt vor allem eines sein: teilbar. Der beste Content ist nichts wert, wenn er nicht von der Zielgruppe aufgenommen und weiterverbreitet wird. Reine Klickzahlen bedeuten in Sachen Relevanz und Impact nicht viel, wenn nichts geteilt wird.

Kommunikatoren müssen also in Zukunft bei der Erstellung ihrer Inhalte immer den Zweiklang aus Klicks und Shares beachten.

Die neue Würde der Zielgruppe

Und das bringt uns zur Zielgruppe selbst. Durch den Emanzipationsprozess, den die sozialen Medien ermöglichen, darf sich die Interaktion zwischen Unternehmen und potentiellen Kunden nicht mehr einseitig gestalten. Anstatt Inhalte am laufenden Band auszustreuen, müssen organische Beziehungen geknüpft und gepflegt werden. Das heißt, man muss die Zielgruppe respektieren und ihnen Anreize geben, warum sie sich überhaupt für unsere Botschaften interessieren sollen. Soziale Medien basieren auf Interaktion und Mundpropaganda. Der erste Schritt sollte also sein, selbst als Multiplikator zu agieren und Content von relevanten Influencern an die eigene Community streuen. Fragen Sie einfach mal bei ihnen nach – das kostet ja bekanntlich nichts und jeder freut sich über mehr Reichweite. Kommunikatoren sollten also zu aller erst an das Miteinander denken, und im zweiten Schritt an die eigene Botschaft.

Diese Trends werden die kommenden Jahre im Bereich Public Relations prägen. PR-Verantwortliche sollten das im Hinterkopf behalten, wenn Sie ihre Strategie für 2017 festlegen. Auch sollten sie über ein Update ihrer Content Managementsysteme nachdenken, denn die Hootsuites und Tweetdecks dieser Welt decken nur Aspekte des „Großen Ganzen“ ab und wer nur einen Teil richtig macht, wird auch nur Teilerfolge einfahren können.

Über den Autor: Paul Berry ist Gründer und CEO der digitalen Publishing-Plattform RebelMouse, New York. Er ist zudem Berater bei Lerer Hippeau Ventures und Teil des Digital Advisory Board vor American Express. Davor war er CTO der HuffingtonPost und Vice President bei Related Capital.

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