Autoren-Beiträge Wikipedia: Wie gelingt ein Artikel in der Online-Enzyklopädie?

Franz Markus GfSucomo breitTausende Follower auf Twitter, zehntausende „Gefällt mir“ auf Facebook – und trotzdem erreicht ein Wikipedia-Artikel über ein Unternehmen mehr Leser. Die Online-Enzyklopädie ist für die Öffentlichkeitsarbeit mittlerweile ähnlich wichtig wie die klassischen sozialen Netzwerke. Seit 2013 hat sich die Zahl der Unternehmen mit einem offiziellen Wikipedia-Konto verfünffacht. Während auf Twitter und Facebook jeder mitmachen kann, findet in Wikipedia eine strenge Auslese statt. Einen Eintrag erhalten oft nur Großunternehmen mit einem Umsatz in Millionenhöhe und tausenden Mitarbeitern. Kleinere Unternehmen haben es dagegen schwer, sie müssen die Community mit anderen Argumenten überzeugen.

Der vorliegende Beitrag von Markus Franz (Foto) ist der erste Teil einer Serie von Beiträgen über Öffentlichkeitsarbeit in Wikipedia.

Jeden Tag versuchen Öffentlichkeitsarbeiter, PR-Manager oder Content-Redakteure, Artikel über ihr Unternehmen in Wikipedia zu erstellen. Nur die Wenigsten nehmen sich vorher die Zeit und werfen einen Blick auf die Regeln der Enzyklopädie. Denn Wikipedia hat feste Kriterien für fast alles: zum Beispiel für Pflanzen, Musiker, Reedereien, Schriftsteller – und natürlich Unternehmen. Jedes Thema, das die Anforderungen der Relevanzkriterien erfüllt, kann problemlos einen eigenen Artikel erhalten. Umgekehrt bedeutet das aber nicht, dass Themen, die auf den ersten Blick nicht in die vorher definierten Schubladen passen, nicht behandelt werden dürfen. Sie können trotzdem relevant sein, etwa aufgrund medialer Berichterstattung.

Die Relevanzkriterien der deutschsprachigen Wikipedia für Unternehmen gliedern sich in einen quantitativen und qualitativen Teil: Unternehmen erhalten ohne Diskussion einen eigenen Artikel, wenn sie mindestens 100 Millionen Euro Umsatz machen oder über 1.000 Mitarbeiter beschäftigen. Handelt es sich um eine große Kapitalgesellschaft nach dem deutschen HGB oder österreichischen UGB, führen auch 20 Betriebsstätten zu einem Wikipedia-Artikel. Börsennotierte Unternehmen, deren Aktien in einem regulierten Markt an einer deutschen Börse oder gleichwertigen Segment im Ausland gehandelt werden, werden ebenfalls automatisch von den geltenden Kriterien erfasst.

Neben diesen starren Anforderungen kennt Wikipedia noch zwei weiche Kriterien: Die „innovative Vorreiterrolle“ und „marktbeherrschende Stellung“. Auf diese sollten Öffentlichkeitsarbeiter aber nicht zu viel Hoffnung setzen: Beide Kriterien sind in der Community höchst umstritten. Anfang Juni startete eine Abstimmung, ob sie abgeschafft werden sollen – und auch wenn die Community diesen Schritt derzeit nicht gehen will, schafft es nur selten ein Unternehmen über die weichen Kriterien zu einem Wikipedia-Artikel. Häufig fehlen zuverlässige Quellen als Beweis für Innovation – oder Öffentlichkeitsarbeiter verwechseln eine „marktbeherrschende Stellung“ mit „Marktführerschaft“.

Die Zahl der Wikipedia-Autoren stagniert, gleichzeitig gibt es immer mehr Artikel. So steigt die Arbeitsbelastung der Community kontinuierlich – und da lassen sich quantitative Kriterien viel einfacher überprüfen als qualitative. Öffentlichkeitsarbeiter müssen immer mit Rückfragen und einer Löschdiskussion rechnen, wenn sie ohne solide Vorbereitung einen Wikipedia-Artikel über ihr Unternehmen anlegen. Besser ist es, die Community vorher um Erlaubnis zu fragen: Im „Relevanzcheck“ kann jeder Themen für Wikipedia-Artikel vorschlagen. Erfahrene Autoren prüfen dann, ob ihr Vorhaben Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Wer im Relevanzcheck eine Abfuhr kassiert, sollte tunlichst die Finger von Wikipedia lassen. Umgekehrt kann eine positive Beurteilung im Relevanzcheck helfen, wenn später doch irgendwann ein Löschantrag auf den Wikipedia-Artikel des Unternehmens gestellt wird.

Übrigens: Wenn es in der deutschsprachigen Wikipedia nicht klappt, lohnt sich vielleicht ein Versuch in einer anderen Sprache. Die Relevanzkriterien sind in jeder Wikipedia unterschiedlich – und zum Beispiel in der englisch-, französisch- und spanischsprachigen Version viel niedriger angesetzt. Es gibt dort keine starren Anforderungen an Umsatz, Mitarbeiter oder Betriebsstätten. Neue Wikipedia-Artikel werden eher von Fall zu Fall beurteilt – Öffentlichkeitsarbeiter sind also auch immer davon abhängig, welcher Autor zufällig ihren Artikel begutachtet. Umso mehr zählt die Qualität des Artikels selbst. Die deutschsprachige Wikipedia ist international für ihre strengen Kriterien bekannt – wer es hier geschafft hat, kann mit Übersetzungen von Artikel meist problemlos in anderen Sprachen punkten.

Über den Autor: Markus Franz, ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Sucomo OHG, Jena, die sich auf dieses Thema spezialisiert hat. Er schreibt seit vielen Jahren auch privat in Wikipedia.

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