Castelli Raffaele MD CLY Communications„Andere Kulturen andere Sitten!“. Auch so hätte die Headline für den Beitrag von Raffaele Castelli (Foto, © CLY Communication) über die Eröffnung eines Büros seiner Agentur in New York lauten können. Doch die Erfahrungen, die Castelli in New York gemacht hat, gehen über kulturelle Unterschiede und Verhaltensweisen hinaus. Raffaele Castelli ist Gründer und Managing Director der deutschen Agentur CLY Communication, Berlin, die im Sommer 2015 ein Agenturoffice in Manhattan eröffnet hat. Eine große Hilfe hierbei war die Deutsch-Amerikanische Handelskammer, die alles abgewickelt und mit Bravur gemeistert hat. Doch bestimmte Usancen aus dem PR-Business waren für ihn vollkommen neu. Oder wussten Sie, dass es in New York angesagt ist, sich bei Journalisten für Veröffentlichungen von Pressemitteilugen mit einem Blumenstrauß zu bedanken? Lesen Sie nachfolgend Castellis Bilanz nach einem dreiviertel Jahr „Agentureinsatz in New York“. Der Autor berichtet von seinen Erfahrungen – sehr persönlich aber durchaus repräsentativ für andere deutsche Agenturen, die in New York ein Büro eröffnen möchten.

Deutsche Gründlichkeit – amerikanische Lässigkeit

In USA gelten deutsche PR-Agenturen generell als vorbildhafte, professionelle Generalisten. German Quality gepaart mit Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein – das ist typisch deutsch. Doch je länger ich hier bin, desto mehr merke ich, dass ich mir etwas mehr von der New Yorker Lässigkeit und Hilfsbereitschaft abschauen sollte. Zwar ist hier der Konkurrenzkampf viel größer als in Deutschland, aber hier hilft jeder jedem, wenn es darauf ankommt.

Gute Mitarbeiter

Gutes Personal in den USA zu finden, ist noch schwieriger als in Deutschland, aber nicht unmöglich. Headhunter spielen eine viel wichtigere Rolle. „Sich die Rosinen aus dem Kuchen zu picken“ ist die Devise, denn nur zehn Prozent der Bewerber sind wirklich qualifiziert. Während es in Deutschland geschätzt wird, wenn ein Mitarbeiter lange im Unternehmen verweilt, ist es in den USA vollkommen üblich, seine Arbeitsstelle mindestens im Jahrestakt und dann von einem Tag auf den anderen zu wechseln. Schließlich gibt es hier keine Kündigungsfristen.

Erster Termin beim Anwalt

Es gibt Frauen, Männer, Junge, Alte, Dicke, Dünne, Homosexuelle, Kinderlose, Gläubige, Weiße, Schwarze, alles auf einmal und auch alles dazwischen. Die Sensibilität jedes einzelnen hinsichtlich Diskriminierung ist in den USA viel ausgeprägter als in Europa. Auch die Bereitschaft, jemanden zu verklagen wenn auch nur der Verdacht besteht, man sei benachteiligt worden. Sehr hilfreich war ein Workshop, den mir mein Anwalt empfahl und den ich besuchte.

Steuererklärung und Bierdeckel

Erinnern Sie sich noch an die 2003 vom damaligen Steuerexperten Friedrich Merz geforderte Steuererklärung, „die auf einen Bierdeckel passen“ sollte? Ganz so simpel ist es in den USA zwar nicht, aber das Vertrags- und Steuerrecht ist wesentlich einfacher. Ein guter Steuerberater ist wichtig, aber die Steuererklärung und die Personal- und Lohnbuchhaltung sind definitiv leichter und absolut transparent.

Lunchtime in New York

Ich kann es nicht oft genug sagen: Ich bin Italiener. Und für einen Italiener gibt es nichts Besseres als gut zu essen. Mit dieser Einstellung waren meine ersten Verabredungen zum Business-Lunch jedoch eine Überraschung. Journalisten, Geschäftspartner oder Kunden bestellten einen Salat und Wasser zum Essen. Von Vino oder Dolce keine Spur! Eine Alternative zum Business-Lunch ist die Mittagspause im Park. Unser Office liegt gleich am Bryant Park, in dem sich zur Mittagszeit alle aus den umliegenden Büros treffen. Doch statt amerikanischem Fast-Food gibt es gesunde Snacks. Hier ist es völlig normal, die Mittagspause zu genießen und dabei noch bei einer Yoga-Session etwas für seine Fitness zu tun.

Flexible Share Spaces

Während in Deutschland ein repräsentatives Büro in zentraler Lage einen Imagewert hat, sind in New York Share Spaces angesagt. Je nach Mitarbeiteranzahl und Bedürfnis können sie nach Belieben vergrößert oder verkleinert werden. Praktisch eben und einmal mehr nach dem Motto: „Teilen ist das neue Haben“.

Ein blumiges Dankeschön

Unsere Agentur arbeitet in New York für PR-Kunden aus dem Beauty-, Lifestyle- und Kosmetik-Bereich. Wie auch in Deutschland ist hier das Clipping die Währung, in der gemessen wird. Umso größer war daher die Freude als die ersten Artikel erschienen. Mein PR-Team sagte mir, dass es üblich sei, sich bei den Journalisten mit einem Blumenstrauß zu bedanken. Als ich vorschlug, einen Strauß für 35 US-Dollar zu besorgen, belächelten sie mich. „Dafür würde ich nicht einmal eine Tulpe bekommen.“ Aus dem Strauß wurde letztendlich ein Bouquet für 150 Dollar und ich frage mich bis heute: Ertrinken die Redakteure nicht in einem Blumenmeer?

Deutschland – wo liegt das?

CLY Communication arbeitet seit einigen Jahren für GQ – Men of the Year. Wir übernehmen die Ansprache und Koordination der internationalen und nationalen Stars – zuerst von Berlin und jetzt von New York aus. Vor einer Weile traf ich bei einem Event den Manager eines Unternehmens, das ich in der Vergangenheit angeschrieben hatte. Damals bekam ich keine Antwort, aber an diesem Abend: „Eine E-Mail aus Deutschland ist für uns Spam und wird gelöscht.“ Bis zu diesem Moment hatte ich gedacht, dass Deutschland anerkannt sei. Seitdem wir das Büro in New York haben, werden unsere Anfragen immer beantwortet.

New York – Berlin und wieder zurück

Ich lebe derzeit auf zwei Kontinenten. Doch während manch anderem das Reisen zur Last fallen würde, liebe ich es, zwischen diesen beiden Metropolen zu pendeln. Nicht mal acht Stunden dauert der Flug und jede Stadt hat für mich ihren eigenen Charme. Während mich an New York die Spontanität und großstädtische Kultur faszinieren, sind es in Berlin die Gelassenheit und Leichtlebigkeit, an die ich mein italienisches Herz verloren habe. Das einzige, was ich etwas vermisse, sind die Berliner Wohnungspreise. Was würde ich in New York für meine Berliner Wohnung geben.

Über den Autor: Raffaele Castelli ist ein „italienischer Berliner“ mit Zweitwohnsitz New York und Stationen in Rom und London. 2009 gründete er in Berlin die Agentur CLY Communication, die sich auf Events, PR und Celebrity Relations spezialisiert hat. Im Sommer 2015 eröffnete er ein Büro in New York für den US-Markt seiner Agenturkunden Glossybox und GQ – Men of the Year. Raffaele ist Gründer und Managing Director, waschechter Europäer und New York-Liebhaber in einer Person.


Wir haben die Kommentarfunktion wegen zu vieler Spam-Kommentare abgeschaltet. Sie können uns aber trotzdem Ihre Meinung zu diesem Artikel als Leserbrief direkt zusenden. Falls Sie wünschen, dass wir Ihren Leserbrief als Kommentar dem Artikel hinzufügen, vermerken Sie dies bitte in der Mail an uns.
leserbrief@pr-journal.de


Heute NEU im PR-Journal